Natürlich hat die neue Bundesregierung viel vor, auch was Ihr Geld betrifft. Aber abseits der Tagespolitik gibt es 2022 ebenfalls einiges zu beachten.
DER KOALITIONSVERTRAG
Knapp zwei Monate nach der Bundestagswahl haben die Spitzen der künftigen Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Das Papier enthält neben vielen generellen Zielen etwa hinsichtlich großer Themen wie Demografie, Digitalisierung und Einsatz gegen die Erderwärmung zahlreiche konkrete Vorhaben. Sie betreffen unter anderem die Bereiche Rente, Arbeit und Wohnen. Einige der geplanten Reformen sollen bereits im Jahr 2022 starten.
Gesetzliche Renten: Das gesetzliche Rentenniveau soll dauerhaft das Level von 48 Prozent (Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten) nicht unterschreiten. Der Versicherungsbeitrag (derzeit 18,6 Prozent) steigt in dieser Legislaturperiode laut Koalitionsvertrag nicht über 20 Prozent. Überraschend: Der sogenannte Nachholfaktor in der Rentenberechnung wird wieder aktiviert. Die Rentenerhöhungen werden demnach 2022 geringer ausfallen als bislang angenommen. Nach ursprünglichen Berechnungen sollten Rentner ab 1. Juli im Westen 5,2 Prozent und im Osten sogar 5,9 Prozent mehr bekommen. Bundesarbeits- und -sozialminister Hubertus Heil erwartet, dass sich beide Werte nun um 0,8 Prozentpunkte verringern werden.
"Wir werden das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen."
Koalitionsvertrag zur Riester-Rente
Generell gilt: Die Ampelparteien setzen in dreifacher Hinsicht auf Aktien für die Altersvorsorge. Hintergrund ist der Wunsch, die langfristig hohen Börsenrenditen zu nutzen. Dabei soll es jeweils eigenständige Lösungen für gesetzliche Rentenversicherung (GRV), Riester-Rente und betriebliche Altersversorgung geben. Die GRV soll 2022 zehn Milliarden Euro aus Steuermitteln als Kapitalstock bekommen (zum Vergleich: 2020 flossen in Form von Steuern und Beiträgen 330 Milliarden Euro in die Rente). Der Vertragsentwurf spricht von einem "ersten Schritt" in eine "teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung", ohne mögliche weitere Schritte zu benennen. Es bleibt also offen, wie viel Geld hinzukommen und wie die Auszahlung laufen soll.
Riester-Renten: Bei der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge via Riester ist das Koalitionspapier ebenfalls recht unkonkret. Es heißt lediglich: "Wir werden das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen. Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen."
Aus dem Kontext ergibt sich, dass es um das sogenannte schwedische Modell mit leichten Modifikationen geht. Die Skandinavier müssen 2,5 Prozent ihres Einkommens in die "Prämienrente" einzahlen - rund 1000 Fonds stehen zur Auswahl. Will man sich keiner der privaten Alternativen anvertrauen, was rund die Hälfte der Berechtigten tut, greift der Staatsfonds AP7. Er legt das Geld des Versicherten bis zu dessen 55. Geburtstag komplett in Aktien an. Ab 55 wird schrittweise in einen Rentenfonds mit geringerem Risiko umgeschichtet. Ausgezahlt wird schließlich ein lebenslang gleichbleibender Rentenzuschlag.
Betriebsrenten: In der betrieblichen Altersversorgung muss laut Vertragsentwurf das sogenannte Sozialpartnermodell "nun umgesetzt werden". Im Jahr 2018 wurde dieses Projekt der damaligen Bundessozialministerin Andrea Nahles Gesetz, weshalb Experten auch von der "Nahles-Rente" sprechen. Sie erlaubt erstmals Betriebsrenten ohne Garantien, wodurch mehr Aktieninvestments möglich sind.
In der Praxis gibt es die Nahles-Rente noch nirgendwo. Der drittgrößte deutsche Versicherungskonzern Talanx (wichtige Töchter: HDI, Hannover Rück) ist sich schon seit Monaten mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi einig, den Beschäftigten in der Bundesrepublik eine solche Lösung anzubieten. Doch die Finanzaufsicht Bafin hat immer noch nicht zugestimmt. Sie zweifelt beispielsweise daran, dass Gewerkschaftsmitglieder - wie vorgesehen - bessergestellt werden dürfen als andere Arbeitnehmer.
Arbeit: Der Mindestlohn wird auf zwölf Euro pro Stunde erhöht. Derzeit liegt er bei 9,60 Euro. Die Minijobgrenze steigt von 450 auf 520 Euro im Monat, die Grenze für Midijobs von 1300 auf 1600 Euro.
Pflegeversicherung: Im Vertrag heißt es: "Den Beitrag zur Sozialen Pflegeversicherung heben wir moderat an."
Wohnen: Als Anreiz für mehr Wohnungsneubau wird die lineare Abschreibung von zwei auf drei Prozent im Jahr erhöht. Neu eingeführt wird eine Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen. Die Mietpreisbremse (betrifft Neuvermietungen) wird bis 2029 verlängert. Die Kappungsgrenze (betrifft Bestandsmieten) auf angespannten Wohnungsmärkten sinkt von 15 auf elf Prozent binnen drei Jahren. Mietspiegel speisen sich künftig aus Daten von Mietverträgen der vergangenen sieben (bisher sechs) Jahre. Das soll den Anstieg der Mieten dämpfen.
LEBENSVERSICHERUNGEN
Zum 1. Januar sinkt der gesetzliche Garantiezins der Lebensversicherungen von 0,9 auf 0,25 Prozent. Das betrifft zwar fast keine laufenden Policen, sondern nahezu ausschließlich Neuverträge, die mit diesem Garantiezins kalkuliert sind - dafür aber etliche Sparten: Kapitallebens- und private Rentenpolicen, geförderte Angebote à la Riester, Rürup und Betriebsrente, zudem beispielsweise Berufsunfähigkeitsversicherungen.
BETRIEBLICHE ALTERSVORSORGE
Wer eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) im Rahmen einer Entgeltumwandlung abschließt, hat ab 1. Januar ein Anrecht auf einen Zuschuss vom Arbeitgeber. Bislang galt das nur für Neuverträge, künftig müssen auch Bestandsverträge unterstützt werden. Grundsätzlich sind 15 Prozent auf den Umwandlungsbetrag draufzulegen, wenn die bAV über eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds erfolgt. Das soll jene Sozialbeiträge ausgleichen, die der Arbeitgeber durch die bAV einspart. Doch kann der Arbeitgeber auch nachweisen, dass seine Einsparungen geringer liegen, und dann nur diesen Prozentsatz auszahlen.
15 Prozent müssen Chefs ab 1. Januar maximal zuzahlen, wenn ein Arbeitnehmer für eine Betriebsrente Entgelt umwandelt.
CORONA
Tipp: Arbeitnehmer müssen nicht selbst aktiv werden. Sofern sie aber von ihrem Arbeitgeber noch nicht über die neuen Regeln informiert wurden, sollten sie ihn beziehungsweise die Personalabteilung auf mögliche Änderungen in ihren Bestandsverträgen ansprechen.
Zuverdienst: Frührentner können auch 2022 deutlich mehr hinzuverdienen als üblich, bevor ihnen die Rente gekürzt wird. Dieser Teil des sogenannten Sozialschutzpakets, mit dem die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie gemindert werden sollen, wurde weiter verlängert. Demnach bleiben maximal 46 060 Euro im Jahr anrechnungsfrei. Grundsätzlich liegt die Grenze bei 6300 Euro. Das soll den Wiedereinstieg für Menschen in Bereichen erleichtern, die dringend Personal suchen, etwa im Gesundheits- und Pflegebereich. Die Regelung ist jedoch nicht an Berufsfelder geknüpft und kann von allen Frührentnern genutzt werden.
Gutscheine: Während der Corona-Pandemie fielen zahlreiche Konzerte und Aufführungen aus. Um eine Pleitewelle der Veranstalter zu verhindern, beschlossen Bundestag und Bundesrat 2020 eine Gutscheinregelung für ausgefallene Konzerte und Aufführungen. Für Tickets, die vor dem 8. März 2020 gebucht wurden, mussten Kunden einen Gutschein akzeptieren. Wer den Gutschein bis zum Jahresende nicht einlöst, kann den Betrag ab dem 1. Januar 2022 zurückfordern.
Tipp: Wenden Sie sich dazu schriftlich an das Unternehmen, das den Gutschein ausgestellt hat. Sie haben einen Anspruch auf den vollen Eintrittspreis inklusive aller angefallenen Vorverkaufsgebühren. Nennen Sie in dem Schreiben den Wert und das Ausstellungsdatum des Gutscheins und verweisen Sie auf die gesetzliche Neuregelung. Grundsätzlich verjähren die Ansprüche nach drei Jahren. Sie haben also bis Ende 2023 Zeit dafür, die Auszahlung des Corona-Gutscheins einzufordern. Vorausgesetzt, der Veranstalter geht nicht pleite. Haben Sie das Ticket nach dem 8. März 2020 gekauft, müssen Sie weder einen Gutschein noch einen Ersatztermin akzeptieren und können sich den Ticketpreis erstatten lassen.
NEUBAUFÖRDERUNG
Die Förderung für das Effizienzhaus 55 wird eingestellt, Anträge kann man noch bis 31. Januar 2022 stellen, wenn schon mindestens eine Entwurfsplanung für das Haus vorliegt. Ein Energieberater muss zudem bestätigen, dass der neue Bau dem Energiestandard - also dem Effizienzhaus 55 - entspricht (Fachleute sind zu finden unter energie-effizienz-experten.de).
Tipp: Betroffene können versuchen, den ursprünglich als Effizienzhaus 55 vorgesehenen Neubau auf den geförderten Effizienzhaus-40-Standard zu bringen. Oder sie entscheiden sich für den gesetzlichen Mindeststandard. Damit verzichten sie auf die Förderung, drücken aber auch die Baukosten. Allerdings nehmen sie für die Zukunft auch höhere Energiekosten in Kauf und senken den Wert des Hauses. Hier lohnt es sich, sich beraten zu lassen.