Ohne Probleme", sagt der Makler am Telefon, "ohne Probleme ist das Haus für 399.000 Euro zu verkaufen." Simone und Sebastian Dambacher (Name geändert) können nur staunen: Der Makler hatte erst am Vormittag ihre Doppelhaushälfte im Allgäu - über 20 Jahre alt, noch mit Ölheizung - besichtigt, Fotos gemacht und Eckdaten wie Baujahr, Wohnfläche, Energieausweis abgefragt.

Wenige Stunden später liefert er schon das Ergebnis seines Kurzgutachtens. Sebastian ist begeistert: "Endlich wissen wir, was wir verlangen können, allein hätten wir das nicht hingekriegt." Seine Frau ist weniger angetan: "Für ein paar Stunden Arbeit müssen wir diesen Angeber am Verkaufspreis beteiligen, und wofür? Für einen Schätzpreis, von dem wir keine Ahnung haben, wie er zustande kommt."

So wie den Dambachers geht es auch vielen anderen Immobilienbesitzern in Deutschland. "Viele Verbraucher trauen sich den eigenen selbstständigen Verkauf nicht zu", sagt Peter Burk vom Institut Bauen und Wohnen. Etwa jede zweite Immobilie in Deutschland werde deshalb mithilfe eines Maklers verkauft, erklärt der Experte. Dabei würden auch Makler nur mit Wasser kochen und lediglich viel "Hokuspokus" über ihre angeblich fundierten Marktkenntnisse machen.

Für Haus- oder Wohnungsbesitzer ist es jedoch schlicht unerlässlich, den tatsächlichen Wert ihrer Immobilie zu kennen, sei es, wenn es um den Verkauf geht, sei es, wenn das Eigenheim nach einer Erbschaft oder einer Scheidung aufgeteilt werden soll. €uro am Sonntag erklärt die verschiedenen Varianten.

Schätzung bleibt Schätzung

Die Möglichkeiten der Wertermittlung weichen fast so stark voneinander ab wie der Preis einer Penthouse-Wohnung in München von einem Bauernhof in Sachsen. Die meisten Immobesitzer gehen aber ähnlich vor wie das Ehepaar Dambacher. Das heißt, sie beauftragen einen Makler für relativ wenig Geld mit einer Schätzung, was dieser häufig nutzt, um für den anschließenden Verkauf engagiert zu werden. Solche Einschätzungen (Kurzgutachten) sind oft nur eine Seite lang - eine detaillierte und begründete Berechnung gibt es nicht. Zudem sind Makler für das Ergebnis nicht haftbar. Mit anderen Worten: Ob die Schätzung den tatsächlichen Verkaufswert trifft, hängt allein von der Kompetenz des Maklers ab.

Zur besseren Vergleichbarkeit werfen viele Verbraucher deshalb zusätzlich einen Blick auf Online-Immobilienportale wie etwa Homeday, McMakler oder Check24. Diese zeigen nicht nur aktuelle Verkaufsangebote von Immobilien, sondern werben auch mit "kostenlosen und unverbindlichen" Immobilienbewertungen nach nur wenigen Mausklicks. Hierfür fließen Kennzahlen wie die Lage und Größe der Immobilie ein; ebenso wie die Qualität und Ausstattung, die Verkäufer selbst schätzen müssen. Aus diesen Daten ermitteln die Portale einen groben Verkehrswert: Das ist der Preis, den die Immobilie durchschnittlich am Markt erzielt.

Für eine ungefähre und vor allem schnelle Orientierung sind solche Tools hilfreich. Ein Problem aber bleibt: "Auch hier weiß man am Ende nicht, wie der Preis zustande kommt, und vergleichbare Immobilien, die zum Kauf stehen, gibt es in unserer Region meistens nicht", sagt Sebastian Dambacher.

In diese Lücke versucht seit rund einem Jahr die Internetplattform Scoperty zu stoßen: Hier können Interessenten mithilfe einer interaktiven Karte, ähnlich wie Google Maps, Schätzpreise zu über 35 Millionen Immobilien in Deutschland finden. Wem das zu abstrakt ist, der kann sich Scoperty auch wie eine Online-Partnerbörse vorstellen - nur eben für Immobilien. Wem gefällt, was er sieht, kann sein Interesse per Nachricht bekunden; wer überlegt, seine Immobilie zu verkaufen, kann ganz unverbindlich einen Verkaufspreis eintragen. Das Angebot von Scoperty hat aber Schwächen: Zum einen hängen die Schätzungen von der Zuverlässigkeit des verwendeten Algorithmus ab. Wie der genau funktioniert, gibt das Start-up aus nachvollziehbaren Gründen (Geschäftsgeheimnis) nicht preis. Auffallend ist aber zum anderen, dass die geschätzten Kaufpreise zum Teil eine große Spanne von mehreren Hunderttausend Euro in derselben Straße aufweisen, besonders in ländlichen Regionen wo die Datenlage naturgemäß geringer ist. In Großstädten schwanken die Preise zwar weniger stark, trotzdem bleibt es bei einer groben Schätzung.

Alternative: unabhängige Experten

Verbraucher, die auf Nummer sicher gehen wollen, kommen an einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nicht vorbei. Dieser untersucht die Immobilie auf Herz und Nieren und beurteilt den Verkehrswert anhand objektiver Kriterien (siehe Glossar unten). Ein solches "gerichtsfestes" Gutachten kann bis zu 50 Seiten lang sein und je nach Aufwand zwischen 1.000 und 3.000 Euro kosten.

Bernhard Bischoff vom Gutachterverbands BVS erklärt: "Bei einem Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen muss jeder Ansatz einer Berechnung und deren Grundlage einschließlich des Rechengangs und seiner Quellen nachvollziehbar sein." Besonders für Eigentümer, die keine Erfahrung mit Immobilien haben oder sich in einer Region nicht auskennen, sei ein Gutachten eine Grundvoraussetzung.

Ein Vorteil: Mit einem Gutachten könnten Verkäufer auf einen Makler verzichten und dadurch viel Geld sparen. Grundsätzlich haben aber auch Gutachter einen Ermessensspielraum: Eine Preisspanne von plus oder minus zehn Prozent sei daher völlig normal, gibt Bischoff zu. Den exakten Marktwert würden Verkäufer daher naturgemäß erst am Verkaufstag erfahren.

Und die Dambachers? Sie sind froh, den Hausverkauf delegiert und schnell einen Käufer gefunden zu haben. "Falls wir aber mal wieder eine Immobilie verkaufen sollten, probieren wir es ohne Makler. Wahrscheinlich."
 


Glossar:

Gutachter beurteilen den Verkehrswert einer Immobilie mithilfe von drei Verfahren:

Vergleichswert: Dieses Verfahren orientiert sich an den Kaufpreisen anderer Immobilien in der Umgebung. Die Vergleichsobjekte müssen ähnliche Merkmale hinsichtlich Lage, Ausstattung und Beschaffenheit haben. Weitere Faktoren sind der Zustand der Immobilie, das Baujahr, Außenanlagen sowie das Wohnumfeld. Der Wert des Grundstücks wird durch die Bodenrichtwertkarte des zuständigen Gutachterausschusses ermittelt.

Sachwert: Dieses Verfahren wird vor allem dann verwendet, wenn keine vergleichbaren Immobilien existieren. Zur Ermittlung des Verkehrswerts wird berechnet, wie viel es kosten würde, die Immobilie neu zu bauen - minus ihrem Alter. Der Wert des zugehörigen Grundstücks wird dabei getrennt berechnet.

Ertragswert: Dieses Verfahren kommt zum Einsatz, wenn nicht der Kaufpreis, sondern die erwartete Rendite (bei Mietobjekten) im Vordergrund steht: Bodenwert und Gebäudewert sind hier die maßgeblichen Kennzahlen - ebenso wie die erwartete Jahresnettokaltmiete. Gemindert wird der Wert durch Bewirtschaftungs- und Betriebskosten.

Vorsicht: Bezeichnungen wie "Gutachter" oder "Sachverständiger" sind nicht geschützt - praktisch jeder kann sich so nennen. Verbraucher finden auf der Internetseite der Industrie- und Handelskammer aber eine bundesweite Datenbank mit öffentlich bestellten und vereidigten Immobilienexperten.