Niedrige Zinsen und eine hohe Nachfrage auch von Großanlegern treiben die Kaufpreise trotz Pandemie hoch - von Krise keine Spur. Dazu kommen stark steigende Baupreise. Das macht Neubauten noch teurer und schlägt sich in den Mieten nieder.

Auf Bauherren kommen auch 2022 Kostensteigerungen zu, meint Reinhard Quast, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes. "Es gibt keine Entwarnung, die Baupreise werden weiter steigen. Allenfalls die Dynamik schwächt sich ab." Höhere Energiekosten trieben etwa die Preise für Stahl hoch, und Beton verteuere sich durch gestiegene Dieselpreise. Zudem werde der gesetzliche Mindestlohn von zwölf Euro je Stunde für Druck auf die Löhne sorgen.

Teures Material wie Stahl, Beton und Holz hat in den vergangenen Monaten zu den größten Preissprüngen am Bau seit Jahrzehnten geführt. "Holz und Stahl zum Beispiel sind derzeit am Bau zu bekommen, aber doppelt so teuer wie vor einem Jahr", sagt Quast. Schwieriger sei es bei Dämmmaterial. Bei Beton gebe es teils Preissteigerungen von 15 bis 20 Prozent, weil dort der teurere Diesel zum Transport auf die Baustellen voll durchschlage. "Es gibt Knappheit bei vielen Produkten und jeder in der Kette testet die Preisobergrenzen aus. Das wird sich auch bei den Preisen für Neubauwohnungen bemerkbar machen."

Auch Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft, erwartet, dass die Mieten und Kaufpreise im neuen Jahr steigen. Er sieht ebenfalls Druck auf die Baupreise. "Bei Holz etwa hat sich der Markt zwar etwas entspannt, aber insgesamt dürften die Baupreise nicht mehr auf das Niveau wie vor zwei Jahren fallen."

Bei den Immobilienpreisen sei noch Luft nach oben, glaubt Voigtländer. Gerade Einfamilienhäuser im Umland von Metropolen seien gefragt, auch weil die Pandemie das Bedürfnis nach mehr Platz im Grünen verstärke und Homeoffice längere Pendelwege erlaube. So stiegen die Immobilienpreise im Umland oft stärker als in Großstädten selbst.

Der Immobilienboom laufe aber nicht mehr flächendeckend, sondern müsse differenziert betrachtet werden. In Hamburg und München etwa schwäche sich der Anstieg der Mieten ab. "Generell dürften die Mieten im Gleichgewicht steigen mit den Einkommen", sagt Voigtländer.

Doch kann das immer so weiter gehen? Dieses Jahr hat sich der Auftrieb sogar beschleunigt. So verteuerten sich Wohnimmobilien im zweiten Quartal im Schnitt um 10,9 Prozent zum Vorjahreszeitraum, laut Statistischem Bundesamt der stärkste Anstieg seit rund 20 Jahren. Schon im ersten Quartal gab es ein Plus von 9,4 Prozent.

Der Immobilienboom alarmiert längst auch die Bundesbank. "Unseren Berechnungen zufolge liegen die Preise von Wohnimmobilien um 10 bis 30 Prozent über dem Wert, der durch Fundamentaldaten gerechtfertigt ist. Das sehen wir zunehmend auch außerhalb der Ballungsräume", warnte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch im November. Nur: Ähnliche Warnungen vor Überbewertungen spricht die Notenbank schon seit Jahren aus - die Preise stiegen immer weiter.

Die DZ Bank glaubt, dass sich der Anstieg der Immobilienpreise im neuen Jahr zumindest abschwächt. Sie rechnet damit, dass die Preise für Eigenheime und Eigentumswohnungen 2022 um 7,5 bis 9,5 Prozent klettern, etwas weniger als dieses Jahr erwartet (11 Prozent). Das verlangsamte Bevölkerungswachstum sowie ein stärkerer Neubau dürften den Preis- und Mietenanstieg dämpfen. "Der Boom kann ja nicht ewig so weiter gehen", sagt Studienautor Thorsten Lange.

Ein Anziehen der Zinsen würde die Dynamik stärker bremsen, meint die DZ Bank. Doch auch dann sei die Wahrscheinlichkeit für eine Korrektur nur moderat. Zudem treibe die gestiegene Inflation die Nachfrage nach Immobilien, denn sie entwerte Sparguthaben auf der Bank. Das erhöht den Druck auf Sparer, Geld in Sachwerte zu investieren. Und Wohnimmobilien gelten vielen als Inflationsschutz.

Für Mieter und Immobilienkäufer sind solche Prognosen nur ein schwacher Trost. Ihnen will nun die neue Ampelkoalition helfen: Mehr Neubau, eine verlängerte Mietpreisbremse und eine stärkere Begrenzung von Mieterhöhungen sollen für Entlastung am Wohnungsmarkt sorgen. So wollen SPD, Grüne und FDP jährlich rund 400 000 neue Wohnungen schaffen, nachdem vergangenes Jahr gut 300 000 fertig wurden.

Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank, hält dieses Ziel für sehr ambitioniert. "Wie das gelingen soll, bleibt völlig offen." Die Bauwirtschaft arbeite schon an der Kapazitätsgrenze, auch die verlängerte Mietpreisbremse werde nicht den Neubau steigern.

Auch ZDB-Präsident Quast hält das Ziel von 400 000 neuen Wohnungen für unrealistisch. "Technisch ist das machbar, aber es fehlen Grundstücke und Baugenehmigungen", sagt er. Es dauere in Deutschland Jahre, Genehmigungen zu bekommen und Flächen in Bauland umzuwandeln. Der Engpass bestehe "auf dem Papier, nicht bei den Steinen".

dpa-AFX