Kanzlerin Angela Merkel stellte sich hinter einen solchen Vorschlag von Gesundheitsminister Jens Spahn. "Die Planungen dafür laufen und werden noch heute mit den Ländern abgestimmt", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag. Es werde noch mindestens zehn harte Wochen bei der Impfstoff-Versorgung geben, twitterte Spahn. Das Innenministerium bestätigte, dass die Regierung Einreisesperren für Großbritannien, Südafrika und Brasilien vorbereite. Minister Horst Seehofer sagte vor einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen, er hoffe auf eine Entscheidung in der Regierung im Umlaufverfahren bis Freitag. Grund ist die Furcht vor einem Einschleppen infektiöserer Virus-Varianten.
Laut einer Allensbach-Umfrage für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ist die Zustimmung zur Corona-Politik des Bundes auf 49 Prozent gefallen - dem niedrigsten Wert in der seit rund einem Jahr andauernden Pandemie. Probleme werden neben dem Impfen aber vor allem in Bereichen ausgemacht, für die Kommunen und Ländern zuständig sind. Allerdings befürworten laut ZDF-Politbarometer 56 Prozent der Bürger die getroffenen Maßnahmen, 28 Prozent wollen sogar schärfere Schritte. Die Zahl derer, die die Corona-Einschränkungen für übertrieben halten, sank auf 14 Prozent. Die Mehrheit befürwortet etwa die Schließung von Grenzen und Schulen.
RKI MELDET INZIDENZ UNTER 100 - ABER FAST 1000 NEUE TOTE
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete erneut sinkende Infektionszahlen gegenüber der Vorwoche - die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz fiel erstmals wieder unter die Schwelle von 100. Allerdings verharrt die Zahl der täglich gemeldeten Todesfälle mit 941 weiter auf einem sehr hohem Niveau. Das RKI meldete 17.553 Corona-Neuinfektionen. Das sind rund 2800 weniger als eine Woche zuvor. Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Fallzahlen über eine Woche pro 100.000 Einwohner, sinkt auf 98 von zuletzt 101. Bund und Länder wollen den Wert unter 50 drücken, um das Virus unter Kontrolle zu bringen und das Gesundheitssystem zu entlasten. Der Städte- und Gemeindebund warnte vor zu frühen Lockerungen der Corona-Einschränkungen. Hintergrund ist, dass Bund und Länder derzeit eine Strategie für mögliche Lockerungen ausarbeiten, sollten die Zahlen weiter sinken. Dagegen steht aber die Sorge, dass sich hochansteckende Virus-Mutationen ausbreiten und die Zahlen schnell wieder in die Höhe treiben könnten.
VORBEREITUNG FÜR GRENZSCHLIESSUNGEN
Das Bundesinnenministerium bestätigte auch deshalb Pläne für die Vorbereitung von Einreissperren für Großbritannien, Brasilien und Südafrika. Eine entsprechende Vorlage werde derzeit in der Bundesregierung abgestimmt, sagte ein Sprecher am Donnerstag zu Reuters. Hintergrund ist, dass in diesen Ländern hochansteckende Virus-Mutationen festgestellt wurden. Die Bundesregierung hatte vor einer Ausbreitung auch in Deutschland gewarnt. Denkbar ist, dass es Einreisesperren für weitere Länder gegen könnte, in denen sich Virus-Mutanten bereits stärker ausgebreitet haben. Dies könnte etwa die Niederlande oder Dänemark betreffen. Die "Bild"-Zeitung schreibt, dass die Einreisesperren bereits kommende Woche in Kraft treten sollten.
Offen sei noch die Frage, welche Ausnahmen die Bundesregierung bei der Einreisesperre zulasse, sagte Seehofer. So solle der Warenverkehr nicht betroffen werden. Merkel hatte vor wenigen Tagen gesagt, dass sie den Reiseverkehr nicht komplett stoppen, touristische Reisen aber wegen der Sorge vor einer Ausbreitung der Mutationen möglichst stark reduzieren wolle. Wirtschaft, Opposition und Verbraucherschützer hatten vor zu rigiden Regelungen gewarnt. Auch auf EU-Ebene sind Verschärfungen für sogenannte "dunkelrote" Zonen mit hohen Corona-Infektionszahlen in Arbeit. Anders als in Deutschland steigt in etlichen EU-Staaten die Zahl der Ansteckungen wieder.
SPAHN WILL RUNDE ZUM IMPFEN
Angesichts der Kritik aus den Ländern, dem Koalitionsparter SPD und der Opposition schlug Gesundheitsminister Spahn eine gesonderte Ministerpräsidentenkonferenz nur zum Thema Impfen vor. "Vertrauen in dieser Krise erhalten wir nur, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen", twitterte der CDU-Politiker. "Auf diesem Impfgipfel von Bund und Ländern sprechen wir über die Lage, die Ziele, das weitere Vorgehen, auch damit Europa seinen fairen Anteil erhält." Auch Vertreter der Pharmaindustrie sollten eingeladen werden.
Die EU-Kommission verhandelt weiter mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca über die Lieferung der zugesagten Impfstoffdosen. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA will am Freitag entscheiden, ob sie dem Impfstoff der Firma eine Zulassung erteilt. Er wäre nach den Präparaten von BioNTEch/Pfizer und Moderna der dritte Impfstoff in der EU. Spahn warnte aber, dass man "bei der Knappheit des Impfstoffes noch durch mindestens zehn harte Wochen" gehen müsse.
rtr