Besonders Lebensmittel, Restaurantbesuche und Hotelunterkünfte kosteten spürbar mehr. Die hohe Inflation schmälert die Einkünfte und Ersparnisse der Türken, was viele Haushalte in Bedrängnis bringt.

Die Zentralbank griff der taumelnden Landeswährung Lira daher nach Bekanntgabe der Daten zum zweiten Mal in dieser Woche unter die Arme. Sie verkaufte wegen "ungesunder Preisbildung" bei den Wechselkursen Dollar aus ihren Beständen. Der Lira gab die Intervention zunächst Auftrieb: Der Dollar fiel im Gegenzug auf 13,4906 Lira, nachdem er zuvor auf ein Rekordhoch von 13,8889 Lira gestiegen war. Solange die Zentralbank ihre Leitzinsen aber nicht anhebe, müsse mit einer fortgesetzten Abwertung der Währung gerechnet werden, warnte Craig Erlam, Marktanalyst des Brokerhauses Oanda.

"ZAHLEN NICHT ZUVERLÄSSIG"


Umfragen zeigen, dass viele Türken die Glaubwürdigkeit der Daten anzweifeln. Sie gehen davon aus, dass die Inflation noch weit höher ist, da allein die Preise für Grundgüter wie Lebensmittel in diesem Jahr um 30 Prozent gestiegen sind. "Die Zahlen sind nicht zuverlässig", sagte der Vorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, Kemal Kilicdaroglu vor dem Hauptsitz des Statistikinstituts. Dort habe er das Thema ansprechen wollen, doch sei ihm der Zutritt verwehrt worden. "Ich rufe alle meine Mitbürger auf: Wenn Sie auf den Markt gehen, wenn Sie Ihr Gas aufdrehen, Ihre Heizung anstellen, ist die Inflation wirklich so, wie behauptet wird?", sagte Kilicdaroglu.

Ökonomen erwarten, dass das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht ist. Im kommenden Jahr könnten demnach die offiziellen Inflationsraten auf etwa 30 Prozent steigen. Das wird zum großen Teil auf die starke Währungsabwertung zurückgeführt, da dadurch Importe wie Medikamente, Öl und andere Rohstoffe teurer im Ausland eingekauft werden müssen. Ein Beleg dafür ist die Entwicklung der Importpreise: Diese schnellten um fast 55 Prozent nach oben.

Die türkische Lira hat in diesem Jahr rund 47 Prozent an Wert verloren und verzeichnete in dieser Woche ein Rekordtief von 14,0 zum US-Dollar. Das liegt Experten zufolge auch daran, das die Zentralbank ihren Leitzins auf aktuell 15 Prozent gesenkt hat. Dadurch wird die Lira für Anleger unattraktiver. "Zinsen sind ein Übel, das die Reichen reicher und die Armen ärmer macht", hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan in dieser Woche den umstrittenen Kurs verteidigt.

Die Zentralbank hat rapide an Ansehen bei Investoren verloren. Erdogan, der sich immer wieder öffentlich für niedrigere Zinsen starkmacht, hat drei Notenbankchefs binnen zweieinhalb Jahren verschlissen, was die Unabhängigkeit der Währungshüter massiv infrage stellt. In dieser Woche hat er zudem Finanzminister Lütfi Elvan nach nur rund einem Jahr Amtszeit gegen dessen bisherigen Stellvertreter Nureddin Nebati ausgetauscht. Dieser verteidigte den umstrittenen Zinskurs.

rtr