Die Bundesregierung bereitet gerade eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes vor, die das Ziel hat, den Breitbandausbau und Investitionen in schnelleres Internet zu beschleunigen. In dem Gesetzentwurf, der demnächst in die Ressortabstimmung gehen wird, findet sich aber auch ein versteckter Passus, der dieses Ziel konterkariert, indem er die bisherige sogenannte Umlagefähigkeit von Anschlussgebühren in den Mietnebenkosten beseitigt. Die größten Verlierer dieser einfachen Form einer Umlage wären die Verbraucher. Insgesamt träfe es circa zwölf Millionen Haushalte. Vor allem auch die sozial Schwachen und rund sechs Millionen Rentner.
Das etablierte und zuletzt im Jahre 2012 angepasste Umlagesystem für die Kosten des TV-Anschlusses ist aber keineswegs antiquiert, wie fälschlich behauptet wird. Es ist auch heute noch ein Erfolgsmodell dafür, wie Investitionen in moderne Hausverkabelungen inzwischen auch mit Glasfaser langfristig finanziert werden können und gleichzeitig die Nutzer nur moderat an den Kosten beteiligt werden. Und das, obwohl der Netzzugang mit gewaltigen Investitionen inzwischen digitalisiert wurde und dadurch Hunderte von Programmen empfangen werden können und diese hervorragende Infrastruktur auch die Basis für Internetzugänge mit bis zu einem Gigabit darstellt.
Mehrkosten für die Mieter von bis zu 200 Euro pro Jahr
Das auch "Sammel-Inkasso" genannte Umlagesystem hat sich also nicht nur im Sinne der Mieter bewährt, sondern hat erhebliche gesamtgesellschaftliche Vorteile. Mieter können aufgrund der Umlagefähigkeit "Großhandelspreise" erhalten und daher einen Basis-TV-Anschluss zu sehr günstigen Konditionen in Anspruch nehmen. Zu Preisen, die im Durchschnitt rund die Hälfte niedriger sind als bei einem Einzelbezug durch den Mieter selbst.
Millionen Mieter, vor allem in Wohnungen großer Wohnungsbaugesellschaften, profitieren mit dieser Umlagemöglichkeit von einer kostengünstigen TV-Grundversorgung. Würde diese wegfallen, würde auch der Innovationsstandort Deutschland durch eine geringere Investitionskraft der in Gigabit investierenden Unternehmen geschwächt. Viele Kommunen würden ebenfalls Einbußen erleiden. Kleine Kabel-TV-Versorger wie Stadtwerke, aber auch Handwerksbetriebe befürchten harsche Einschnitte bis hin zum drohenden Arbeitsplatzabbau. Das Kabelnetz in meiner Heimatstadt wird von einem mittelständischen Elektrohandwerker betrieben, der im Vertrauen auf langfristig stabile Rahmenbedingungen viele Millionen investiert hat.
Warum sollte eine bewährte Regelung entfallen? Am Markt für Telekommunikationsdienste herrscht ein harter Wettbewerb. Neben kabelgebundenen Anschlüssen treten zunehmend auch Angebote über Mobilfunknetze. Es bestehen gleiche Wettbewerbschancen im Kampf um Verträge mit der Wohnungswirtschaft für alle Anbieter. Die gesetzliche Möglichkeit, die monatlichen Entgelte über die Betriebskostenabrechnung umzulegen, ist technologieneutral gestaltet. Daher befürchten auch die Unternehmen, die jetzt die Hausverkabelung mit Glasfaserleitungen durchführen, erhebliche Nachteile. Investitionskosten verschwinden ja nicht einfach, nur weil die Umlagefähigkeit gestrichen wird. Einmalige Anschlussgebühren von mehreren Hundert Euro wären nicht nur unpopulär, sondern für viele nicht mehr bezahlbar.
Sollte die Umlage nicht mehr möglich sein, müssten Anbieter Einzelabrechnungen stellen. Der monatliche Gesamtpreis würde dann, etwa wegen höherer Verwaltungskosten, auf 19 Euro steigen. Eine Branchenstudie berechnete die Mehrkosten auf bis zu 200 Euro pro Kunde und Jahr. Ganz abgesehen davon, dass eine Umstellung zu einem bürokratischen Monster und vielen Streitigkeiten führen würde.
Da ohne die Umlagemöglichkeit auch die Kreditwürdigkeit einzelner Verbraucher bei der TV-Grundversorgung eine Rolle spielen würde, müssten bis zu eine Million Haushalte wahrscheinlich ganz auf den Zugang zum TV und die Option auf ein schnelles Internet verzichten. Satellitenschüsseln und DVB-T sind keine vollwertigen Alternativen für das Spektrum, das ein Hausanschluss bietet. Gleichzeitig dürfte sich die Reichweite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks drastisch verringern, weil Kunden stattdessen zu Streamingdiensten abwandern. Viele Landesmedienanstalten, kommunale Anbieter und einige Landesregierungen fürchten, dass Teile der Bevölkerung dadurch von der TV-Grundversorgung abgeschnitten würden. Dies würde einen Verlust von Medienvielfalt und einseitige Informationszugänge über manipulationsanfällige soziale Medien bedeuten.
Moderne digitale Infrastruktur wird von den Nutzern erwartet
Alle, die jetzt und in Zukunft in Breitbandnetze investieren, profitieren von der Umlagefähigkeit, die über Verträge mit bis zu zehn Jahren Laufzeit langfristige Investitions- und Planungssicherheit schafft. Diese Planungssicherheit ist vor allem für die weitere Aufrüstung und Modernisierung der Hausverteilernetze in den Wohngebäuden unerlässlich.
Das Gegenargument, dass auch Haushalte, die den Kabelanschluss nicht nutzen, über die Umlage beteiligt werden und dadurch der Wettbewerb beeinträchtigt würde, hält einer vertieften Betrachtung nicht stand. Mieter entscheiden sich beim Einzug für ein von den Vermietern bereitgestelltes Gesamtangebot. Wer zum Beispiel den Aufzug oder die Sammelheizung weniger oder nicht nutzt, trägt dennoch die anteiligen Grundkosten. Von Wohnungsbaugesellschaften wird mit Recht eine moderne, den digitalen Bedürfnissen entsprechende Infrastruktur im Wohnungsbestand erwartet. Warum die jahrzehntelange Partnerschaft zwischen Wohnungswirtschaft und Netzbetreibern jetzt gefährdet werden soll, ist daher nicht verständlich.
Es existiert keine EU-rechtliche Vorgabe, die die Umlage der Entgelte für den TV-Anschluss über die Betriebskostenverordnung verbietet und eine Änderung für die Zukunft erforderlich macht. Mehrere Rechtsgutachten sehen sogar einen Eingriff in die Bestandsverträge mit der Wohnungswirtschaft als verfassungswidrig an.
Daher sollte wirklich gründlich überlegt werden, ob durch diese Änderung nicht mehr Schaden als Nutzen für den Breitbandausbau und die Verbraucher geschaffen würde.
Matthias Kurth
Aufsichtsratschef bei Cable Europe
Kurth studierte an der Universität Frankfurt Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre. Von 2001 bis 2012 war der SPD-Politiker Präsident der Bundesnetzagentur. Seit Oktober 2012 ist Kurth Aufsichtsratsvorsitzender im europäischen Kabelfernsehverband Cable Europe.