Die sogenannte B-Länder legten einen Beschlussentwurf für eine kleine Bundesnotbremse vor. In dem Reuters vorliegenden Papier plädierten die Ministerpräsidenten von Union und Grünen mit Hinweis auf die Infektionslage für die bundesweite Schließung von Bars und Discotheken sowie eine Begrenzung von Großveranstaltungen auf ein Drittel der möglichen Zuschauer. Auch sie forderten eine allgemeine Impfpflicht. Zudem müssten weitreichende Corona-Beschränkungen über den 15. Dezember hinaus und regional möglich sein.

Offizieller Anlass der Beratungen war, dass die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel und Scholz die 16 Ministerpräsidenten über den neuen Krisenstab im Kanzleramt informieren wollten. Die SPD-Seite hatte es abgelehnt, die für den 9. Dezember geplante Ministerpräsidentenkonferenz vorzuziehen. Deshalb könnten keine formellen Beschlüsse gefasst werden, hieß es aus Verhandlungskreisen.

Schub für die Debatte brachten die erneut hohen Corona-Infektionszahlen und Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht in Karlsruhe entschied, dass die im April 2021 beschlossene Bundesnotbremse mit nächtlichen Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen sowie Schulschließungen verfassungsgemäß ist. Die Einschränkungen seien angesichts der "äußersten Gefahrenlage der Pandemie" gerechtfertigt gewesen. Auch das Verbot von Präsenzunterricht habe das Recht auf schulische Bildung nicht verletzt. (AZ: 1 BvR 781/21, 971/21 u.a.). Die Urteile sind eine Niederlage für die FDP und den künftigen Justizminister Marco Buschmann. Er gehörte ebenso wie FDP-Chef Christian Lindner zu den insgesamt 80 FDP-Abgeordneten, die damals Verfassungsbeschwerde eingelegt hatten.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte im Urteil des Bundesverfassungsgerichts "die Grundlage für eine neue Bundesnotbremse" gesehen. Auch Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) forderte ein "klares Signal für eine neue Notbremse". Dagegen lehnte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle Ausgangssperren weiter ab. "Wir werden die Urteilsbegründung prüfen und kommende Maßnahmen, wie zum Beispiel regionale Lockdowns, daran orientieren", teilte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese mit. Grünen-Co-Chef Robert Habeck zeigte sich dagegen offen, das gerade erst beschlossene neue Infektionsschutzgesetz zum 15. Dezember nachzubessern.

Bund und Länder hatten sich in den vergangenen Tagen verstärkt die Verantwortung für die dramatische Entwicklung der Pandemie zugeschoben. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil betonte am Montagabend bei Instagram, dass etliche Länder gar nicht die Corona-Einschränkungen ausnutzten, die ihnen das neue von den Ampel-Parteien SPD, Grünen und FDP durchgesetzte Infektionsschutzgesetz biete. Gesundheitsminister der Länder wie Manfred Lucha (Grüne, Baden-Württemberg) oder Petra Köpping (SPD, Sachsen) sowie die Union forderten dagegen, dass der Bund entweder die epidemische Lage von nationaler Tragweite beschließt oder den Ländern alle Möglichkeiten für drastische Maßnahmen wie Lockdowns wieder gibt. Die Ampel-Parteien hatten sich mit ihrer neuen Mehrheit im Bundestag dagegen entschieden.

MODERNA-AUSSAGE ZU OMIKRON SORGT FÜR VERUNSICHERUNG


Für Verunsicherung sorgte am Dienstag auch die Aussage des Chefs des Impfstoff-Herstellers Moderna, Stephane Bancel. Dieser geht von einer geringeren Wirksamkeit der gegenwärtigen Covid-19-Impfstoffe gegen die neue Omikron-Variante aus. Der Schutz dürfte nicht auf demselben Niveau wie bei der hochansteckenden Delta-Variante liegen, sagte Bancel der "Financial Times". "Ich denke, es wird ein erheblicher Rückgang sein. Ich weiß nur nicht, wie stark, weil wir die Daten abwarten müssen. Aber alle Wissenschaftler, mit denen ich gesprochen habe, sind der Meinung: 'Das wird nicht gut sein'." In der EU wurden nach Angaben der EU-Gesundheitsbehörde ECDC bislang 42 Omikronfälle entdeckt. Sie seien in zehn EU-Ländern aufgetreten.

Wenn die bisherigen Corona-Impfstoffe nicht mehr so stark gegen das Virus helfen, dürfte dies auch die deutsche Corona-Debatte verändern. Denn die Maßnahmen wie 2G- oder 2G-plus-Regeln zielen vor allem darauf, Einschränkungen für Ungeimpfte zu verhängen.

RKI MELDET VERLANGSAMTEN ANSTIEG


Der Anstieg der vierten Corona-Welle ließ nach den neuen Zahlen des Robert-Koch-Institut (RKI) etwas nach. Das RKI meldete am Dienstag 45.753 Corona-Neuinfektionen. Das waren 427 Fälle mehr als am Dienstag vor einer Woche. Damit war die Zunahme schwächer als in den vergangenen Wochen. Zugleich sank die Sieben-Tage-Inzidenz leicht auf 452,2 von 452,4 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Zudem ist der R-Wert, der angibt, wie viele Personen ein Infizierter rechnerisch ansteckt, laut RKI am Montag unter eins gesunken. Allerdings starben 388 weitere Menschen im Zusammenhang mit dem Virus - der höchste Wert seit Anfang März. Die Zahl der Corona-Intensivpatienten in Krankenhäusern stieg Dienstag weiter auf 4616. Die Lage ist in Deutschland weiter sehr unterschiedlich: Während die Inzidenz in Sachsen bei 1268,9 liegt, beträgt sie in Schleswig-Holstein 150,1.

Das Impftempo nahm weiter zu. Am Montag wurden nach RKI-Angaben 532.055 Menschen geimpft - deutlich mehr als am Montag vergangene Woche. Auch die Zahl der Erstimpfungen (72.214) stieg im Vergleich zur Vorwoche. Insgesamt sind in Deutschland 68,5 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft.

rtr