€uro am Sonntag: Im Europa-Wahlkampf wirft die SPD der Union vor, für ein Europa der Wirtschaft zu kämpfen statt für ein sozialeres Europa. Ist die Union unsozial?
Annegret Kramp-Karrenbauer: Nein, das sind ja die üblichen Wahlkampfsprüche. Die CDU ist der festen Überzeugung, im nationalen wie im europäischen Kontext: Man muss erst etwas erwirtschaften, bevor man es verteilen kann. Deswegen wollen wir die Wirtschaft stärken, um den Wohlstand in Europa zu erhalten. Denn das ist die Basis für den sozialen Zusammenhalt.
Warum lehnen Sie den Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für einen europäischen Mindestlohn ab?
Ich bin eine Verfechterin von Mindestlöhnen. Aber überall gleiche Standards anzusetzen, die für die einen zu hoch und für die anderen zu niedrig sind, halte ich für den falschen Ansatz. Es ist besser, wenn jedes Land nach seinen Bedingungen eigene Mindestlöhne einführt. Natürlich ist es wichtig, dass alle Europäer am Wohlstand teilhaben. Deshalb wollen wir beispielsweise mit Infrastrukturprogrammen dafür sorgen, dass sich die schwächeren Regionen in Europa besser entwickeln können.
Für wie gefährlich halten Sie die zunehmenden internationalen Handelsstreitigkeiten?
Das setzt unsere Industrie enorm unter Druck. Ein fairer und freier Wettbewerb ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für das Wachstum der europäischen und der deutschen Wirtschaft. Hier zeigt sich, wie wichtig Europa ist. Denn nur mit einer gemeinsamen europäischen Stimme, mit der Marktmacht von 500 Millionen Menschen, können wir unsere Vorstellungen, unsere Werte gegenüber Ländern wie den USA oder China vertreten. Das gilt im Übrigen nicht nur für den Bereich der Wirtschaft.