EZB-Chef Mario Draghi ist Italiener und fährt seit Jahren als Reaktion auf die Finanz- und Griechenland-Krise eine ultra-lockere Geldpolitik, von der auch die schuldengeplagten Länder im Süden Europas profitiert haben. Die Insider sagten nun aber, Italien könne nicht auf die EZB zählen, wenn es darum gehe, Investoren zu beruhigen oder den Geldhäusern zur Seite zu springen. Ansonsten würde die Glaubwürdigkeit der Notenbank irreparabel beschädigt und der Rückhalt für die Währungsunion in Ländern wie Deutschland schwinden.
Draghi forderte am Freitag in einer Mitteilung zur IWF- und Weltbank-Tagung die Euro-Länder auf, die Fiskalregeln einzuhalten. Der wirtschaftliche Aufschwung solle auch dafür genutzt werden, wieder Haushaltspuffer aufzubauen. "Dies ist vor allem in Ländern wichtig, in denen die Staatsschulden hoch sind." Für diese sei die volle Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts entscheidend. Die EU-Regeln sehen unter anderem eine Obergrenze für die Schuldenquote von maximal 60 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung vor. Italien sitzt aber bereits auf einem Schuldenberg von mehr als 130 Prozent - nur Griechenland kommt in der Euro-Zone auf einen noch schlechteren Wert.
Die neue Regierung in Rom aus populistischer 5-Sterne-Bewegung und rechter Lega plant aber eine höhere Neuverschuldung - und ist damit auf Konfrontationskurs mit der EU-Kommission. Diese mahnt weniger Ausgaben an. Das italienische Parlament hat das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts gerade auf die Zeit nach 2021 verschoben. Bisher wurde hier 2020 angepeilt. Für 2019 strebt die neue Regierung eine Defizitquote von 2,4 Prozent an - drei Mal so viel wie die Vorgängerregierung. EU-Vertreter fürchten sogar eine noch höhere Neuverschuldung. "Die Lücke könnte am Ende größer werden, auch weil das Wachstum langsamer sein könnte," so ein hochrangiger EU-Beamter.
FINANZMÄRKTE ZUNEHMEND NERVÖS
Die Finanzmärkte reagieren entsprechend nervös. Italien muss Anlegern bei der Platzierung von Staatsanleihen inzwischen deutlich höhere Zinsen bieten, um an Geld zu kommen. Zudem weitete sich der Risikoaufschlag im Vergleich zu Bundesanleihen aus. Am Freitag lag die Rendite der italienischen zehnjährigen Staatsanleihen bei 3,536 Prozent. Vergleichbare deutsche Titel rentierten dagegen bei 0,527 Prozent.
Die EU-Regeln verbieten es der EZB, einem Land zur Hilfe zu kommen, es sei denn, dieses hat einem Rettungsprogramm der EU-Partner zugestimmt. Dann könnten die Euro-Wächter beispielsweise gezielt italienische Staatsanleihen aufkaufen, um einen Renditeanstieg einzudämmen. Das sieht ein 2012 auf dem Höhepunkt der Euro-Krise beschlossenes Notfallwerkzeug vor. Dieses kam allerdings bislang noch nie zum Einsatz.
Auch der IWF forderte Italien zur Einhaltung der EU-Haushaltsregeln auf. Europa-Experte Poul Thomsen sagte, es sei jetzt nicht die richtige Zeit für Italien, seine Steuerpolitik zu lockern. Das Land müsse vielmehr Reserven aufbauen, um den nächsten wirtschaftlichen Abschwung abfedern zu können. Auch in Deutschland stoßen die italienischen Pläne auf Kritik. Mit der hohen Staatsverschuldung müsse die Regierung in Rom umgehen, mahnte Bundesfinanzminister Olaf Scholz. "Diese Verantwortung kann ihr niemand abnehmen." Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich vorerst nicht zu den Haushaltsplänen äußern. Sie wolle den Gesprächen der EU mit dem Land nicht vorgreifen, sagte sie am Freitag in Berlin.
BANKEN ALS EINFALLSTOR FÜR KRISE
Italien ist auch wegen Problemen seiner Banken anfällig. Diese haben italiensche Staatsanleihen im Volumen von 375 Milliarden Euro in den Büchern. Die Institute setzen die Titel unter anderem im Rahmen der üblichen Geldversorgung über die EZB als Sicherheiten ein. Doch sollte Italien bei den Rating-Agenturen das Gütesiegel Investment Grade einbüßen, könnten die Papiere nicht mehr als Pfänder genutzt werden.
Ifo-Chef Fuest verwies im "Handelsblatt" auf die vielfältigen Geschäftsbeziehungen italienischer Institute zu Banken in anderen europäischen Ländern. "Ein italienischer Staatsbankrott würde das Bankensystem in ganz Europa erschüttern." Darin liege ein Erpressungspotenzial. Die europäische Bankenaufsicht solle daher Maßnahmen ergreifen, um die Finanzstabilität zumindest im Rest der Euro-Zone aufrechtzuerhalten.
rtr