Während der IWF die Zahlen für die Industriestaaten wegen der fortschreitenden Impfung nach oben korrigiert habe, müssten die Erwartungen für den Süden zurückgefahren werden. Dies liege auch am Zugang zum Impfstoff. Nach Angaben des Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi Ayodeji Adesina, haben derzeit nur 2,4 Prozent der Afrikaner Zugang zu Corona-Impfstoff. Die Präsidentin der Welthandelorganisation (WTO), Ngozi Okonjo-Iweala, forderte eine gleichmäßigere Verteilung der Impfstoffproduktion. "Wir wollen mehr Transparenz und Verteilung bei der Produktion der Impfstoffe", sagte sie. Auch die Weltbank und die OECD warnte vor einer Zweiteilung der Welt in der Wirtschaftentwicklung.
Kanzlerin Merkel hatte die Chefs der internationalen Organisationen bereits zum 13. Mal im Kanzleramt empfangen. Auch sie warnte davor, sich zu stark auf die Impfung im reichen Norden zu konzentrieren. "Wenn wir einmal eine Variante bekommen, bei dem die Impfstoffe nicht mehr wirken, haben wir ein großes Problem", sagte sie. "Deshalb sollten wir mit Hochdruck daran arbeiten, dass die ganze Welt geimpft werden kann. Das ist das Allerwichtigste." Deutschland beschäftige sich mit der Frage, wie eine Impfstoffproduktion auch in Afrika aufgebaut werden könne. WTO-Chefin Okonjo-Iweala kritisierte, dass 80 Prozent der Impfstoffe in nur zehn Ländern weltweit produziert würden. Das Thema soll auch beim Treffen Merkels mit mehreren Präsidenten afrikanischer Länder am Freitag im Kanzleramt angesprochen werden.
IWF-Präsidentin Georgieva zeigte sich optimistisch, dass auch die vierte Pandemie-Welle die Erholung in den Industrieländern nicht wieder einbrechen lasse. Denn mit den Impfungen seien die Krankheitsverläufe wesentlich milder. Allerdings warnte sie, dass sich die Welt künftig auf mehr solcher "Schocks dieser Art" einstellen und die Volkswirtschaften widerstandsfähiger machen müsse. WTO-Chefin Okonjo-Iweala verwies auf die sehr komplexen Wertschöpfungsketten bei der Herstellung von Impfstoffen, die gesichert werden müssten.
Die IWF-Chefin warnte zudem davor, nach den riesigen Hilfsprogrammen in der Pandemie die staatliche finanzielle Unterstützung zu schnell wieder zurückzufahren. Die Industrieländer hätten 4,6 Billionen Dollar an Stützungsmaßnahmen gezahlt. Die Unterstützungsmaßnahmen dürften auf keinen Fall abrupt abgebrochen werden. China habe seine die Konjunktur stützenden Maßnahmen gerade wieder erhöht. Sowohl Weltbank-Präsident David Malpass als auch Kanzlerin Merkel verwiesen zudem auf eine nötige Entschuldung der Entwicklungsländer.
rtr