Da sie bereits in der ersten Kammer - dem Abgeordnetenhaus - über die nötige Mehrheit verfügt, könnte sie damit das Projekt angehen. Konservative scharren bereits seit längerem mit den Hufen, um die Fesseln des von der Siegermacht USA nach dem Zweiten Weltkrieg entworfenen Grundgesetzes zu sprengen und dem Militär international mehr Gewicht zu verschaffen.

Dass Abe diese Planspiele im Wahlkampf mit keinem Wort erwähnt hat, macht die Opposition nur misstrauischer: "Es geht hier um eine geheime Agenda", mutmaßt der Chef der Demokratischen Partei, Katsuya Okada. Trotz heftiger Proteste in der Bevölkerung hatte Abe im September 2015 eine neue Militärdoktrin durchgesetzt, die Kampfeinsätze japanischer Soldaten im Ausland ermöglicht. Der asiatische Rivale China kritisierte diese Kehrtwende scharf. Zwischen beiden Staaten knistert es weiter: Japan bestellte im Frühsommer den Botschafter der Volksrepublik ein, um gegen die Präsenz eines Kriegsschiffes nahe einer umstrittenen Inselgruppe im Ostchinesischen Meer zu protestieren.

REFERENDUM ÜBER WIRTSCHAFTSPOLITIK



All dies hat im Wahlkampf aber keine Rolle gespielt. Abe stilisierte die Abstimmung am Sonntag zum Referendum über die von ihm geprägte Wirtschaftspolitik: Diese 'Abenomics' sollen das Land mit sehr lockerer Geldpolitik, Konjunkturprogrammen und Reformen aus seiner jahrelangen wirtschaftlichen Schockstarre lösen. Diese wurde durch eine deflationäre Abwärtsspirale der Preise ausgelöst: Die Käufer hielten sich in der Hoffnung auf immer größere Schnäppchen mit Käufen zurück, Investitionen wurden zurückgestellt und das Wachstum blieb auf der Kriechspur. Die Erfolgsbilanz der Abenomics ist jedoch durchwachsen. Angesichts der mauen Konjunktur musste Abe die Anhebung der Mehrwertsteuer jüngst um zweieinhalb Jahre verschieben. Mit den Einnahmen soll die Staatskasse aufgebessert werden: Der Schuldenberg ist mehr als doppelt so hoch wie die Wirtschaftsleistung.

Zudem stößt die große Geldschwemme der Notenbank allmählich an ihre Grenzen - zumal der Yen nach dem Brexit-Votum als Fluchtwährung geschätzt wird, wodurch sich japanische Güter auf den Weltmärkten verteuern und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure leidet. Angesichts dieser Lage sehen die Märkte einen Erdrutschsieg des Regierungslagers eher skeptisch, wie Ökonom Mitsuo Imaizumi vom Finanzhaus Daiwa Securities meint: "Dann dürfte die Sorge aufkommen, dass die Regierung neue Prioritäten setzt - weg von der Wirtschaftspolitik und hin zur Reform der Verfassung."

Auch in der Bevölkerung gibt es offenbar Vorbehalte gegen einen Durchmarsch Abes bei den Parlamentswahlen: Nur 31,5 Prozent der Japaner gaben laut einer Befragung im Auftrag der Nachrichtenagentur Jiji an, dass sie eine Zweidrittelmehrheit für die Regierungskoalition befürworteten. Fast die Hälfte aller Befragten war dagegen. Beim Urnengang am Sonntag könnte daher auch der Wahlbeteiligung große Bedeutung zukommen: Sollte sie niedrig ausfallen, dürfte dies Abes Pläne durchkreuzen, die Wahl als Plebiszit für seine Wirtschaftspolitik zu 'verkaufen'.