Emmanuel Macron hat die Stichwahl um das Präsidentenamt mit 58,55 Prozent der abgegebenen Stimmen gewonnen. An den Börsen wurde sein Sieg erwartet. Was bedeutet der Ausgang der Wahl jetzt für die Märkte?


Jörg Krämer: Die Finanzmarktteilnehmer sind über die Wiederwahl Macrons erleichtert. Der Euro hat nur deshalb nicht aufgewertet, weil aufgrund der Umfragen die meisten mit einem Sieg Macrons gerechnet hatten. Trotzdem bleibt ein Wermutstropfen: Mehr als 40 Prozent der Franzosen haben für Le Pen gestimmt. Und in der ersten Runde der Wahl ging gut die Hälfte der Stimmen an Kandidaten vom rechten oder linken Rand des politischen Spektrums.

Macron versprach am Sonntagabend, sich für "ein stärkeres Europa" einzusetzen. Wie könnte das aussehen?


Macron hatte schon zu Beginn seiner ersten Amtszeit für eine tiefere Integration in der Finanz-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik geworben. Beispielsweise dürfte er dafür plädieren, dass sich die EU nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds erneut verschuldet.

Er möchte eine engere europäische Zusammenarbeit auch in Sicherheits- und Verteidigungsfragen. Was bedeutet das für die heimische Rüstungsindustrie?


Die Zusammenarbeit in der europäischen Rüstungsindustrie dürfte weiter verstärkt werden, wobei unklar ist, was genau das für die heimische Rüstungsindustrie bedeutet.

Macron hat in Energiefragen einiges vor. So soll Frankreich als erstes Industrieland aus den Energieträgern Gas, Öl und Kohle aussteigen. Erwarten Sie einen Schub für erneuerbare Energien oder dürfte lediglich die in Frankreich traditionell sehr wichtige Atomkraft davon profitieren?


Macron hat im Wahlkampf versprochen, sowohl die erneuerbaren Energien zu fördern als auch die Atomkraft auszubauen. Weil er auf beides setzt, ist der Schub für erneuerbare Energien in Frankreich schwächer als in Deutschland.

In seiner ersten Amtszeit hatte Macron Reformen angestoßen: Er hatte etwa die Steuerlast der Firmen gesenkt oder den Arbeitsmarkt aufgebrochen. Die Arbeitslosigkeit sank. Welche Reformen erwarten Sie für seine zweite Amtszeit?


Eines seiner wichtigsten sozialpolitischen Vorhaben ist die Reform des Rentensystems. Allerdings hatte er das bereits für seine erste Amtszeit geplant, ohne es gegen die großen Widerstände der Gewerkschaften durchzusetzen. Insofern ist es fraglich, ob er es dieses Mal schafft.

Macron kündigte im Wahlkampf an, das Mindestrentenalter anzuheben und Sozialleistungen an Bedingungen wie eine 15- bis 20-stündige Ausbildung zu knüpfen. Könnten diese Reformen Erfolg haben oder erwarten Sie dadurch eine neue Welle an Protesten, ähnlich der "Gelbwesten"-Proteste?


Die geplante Reform des Rentensystems dürfte wie schon in der Vergangenheit auf starke Widerstände stoßen. Es wird schwierig für Macron, seine Reformen durchzusetzen.

Wie gefährlich können die Parlamentswahlen im Juni Macron werden?


Um seine Reformen umzusetzen, benötigt Macron eine Mehrheit im Parlament. Allerdings ist es mit Blick auf die Umfragen fraglich, ob Macron eine Parlamentsmehrheit erringen wird.