Angesichts neuer russischer Gas-Drohungen: Wie hoch schätzen Sie derzeit das Risiko einer Energiekrise in Europa ein?
Noch möchte Russland mit dem Export von Gas Devisen verdienen, mit denen es im Westen Güter kaufen kann, die den Lebensstandard der Bevölkerung stabilisieren. Aber je mehr die Spannungen zwischen dem Westen und Putins Russland eskalieren, desto eher wird sich Putin über diese ökonomischen Erwägungen hinwegsetzen und der EU mit einem Stopp der Gaslieferungen schaden wollen.
Welche Folgen hätte diese Zuspitzung für die Konjunktur in Deutschland und Europa?
Die vorherigen Bundesregierungen haben Deutschland auf fahrlässige Weise abhängig gemacht von russischen Gaslieferungen. Rund die Hälfte der deutschen Gasimporte stammt aus Russland. Das lässt sich in den kommenden Quartalen kaum durch mehr Importe von Flüssiggas kompensieren. Bei einem Stopp russischer Gaslieferungen müsste die Bundesregierung Gas für energieintensive Industrien rationieren. Eine schwere Rezession ließe sich dann wohl kaum vermeiden.
Der Aktienmarkt steht wegen Kriegsrisiken, China-Sorgen, Zinsängsten, Konjunktur- und Inflationsrisiken und durchwachsener Bilanzsaison unter Druck: Wie groß schätzen Sie das Rückschlagpotenzial ein?
Die Aktienmärkte haben im Moment viel zu verdauen. Die Schaukelbörse wird sich bis auf weiteres fortsetzen.
Wen trifft es am härtesten?
Zyklische Werte leiden natürlich unter den Konjunktursorgen und den Nachschubproblemen Chinas, das stur an seiner Null-Corona-Politik festhält. Im Fall einer Gasrationierung würde besonders die Chemie-Industrie leiden und die Unternehmen, die von ihr beliefert werden. Außerdem dürften Technologieaktien weiter unter dem Trend zu höheren Zinsen leiden.
Sehen Sie Unternehmen und Branchen, die sich dem Negativsog entziehen könnten?
Stabiler sind natürlich Pharma-Unternehmen sowie gewisse Dienstleister, die vom Abklingen der Corona-Pandemie profitieren.