Nach Jahren der Dollar-Stärke hat der Trend gedreht. Über zehn Prozent hat der Euro bis Anfang August in nur drei Monaten gegenüber dem Greenback aufgewertet und den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren erreicht. Wie geht es weiter? Es spricht einiges für eine anhaltende Euro-Stärke. Denn die politischen Risikofaktoren sind geringer geworden. Der Aufwärtstrend des Euro setzte erst richtig ein, als sich die Europäische Union einer stärkeren fiskalpolitischen Integration näherte.

Die Hoffnungen wurden erfüllt: Auf dem EU-Gipfel Mitte Juli haben sich die 27 Mitgliedsstaaten auch auf Transferzahlungen zwischen einzelnen EU-Ländern geeinigt, was den Zusammenhalt der Währungsunion stärkt. Das blieb den internationalen Investoren nicht verborgen, weshalb neue Anlagegelder nach Europa flossen und die politische Risikoprämie im Euro fiel - spiegelbildlich stieg der Kurs der Gemeinschaftswährung. Erstmals kann die EU-Kommission nun über einen europäischen Wiederaufbaufonds Mitgliedsstaaten mit Zuschüssen und zusätzlichen Krediten unter die Arme greifen. Das EU-Parlament muss aber noch zustimmen.

Doch der Kapitalmarkt feierte die Einigung bereits, denn eine neue Schuldenkrise scheint in Europa damit bis auf Weiteres abgewendet. Zuschüsse in Höhe von 390 Milliarden Euro können an Länder gezahlt werden, die von der Corona-Krise besonders hart getroffen worden sind und am Kapitalmarkt womöglich in Finanzierungsschwierigkeiten geraten könnten - allen voran Italien. Erst nach und nach werden diese neuen Schulden, die über die EU aufgenommen werden, zurückgezahlt - unter anderem finanziert durch neue europäische Steuern.

Die Euro-Stärke zeigt, dass der Abgesang auf die Währung verfrüht war. Vor zehn Jahren hatte der Kapitalmarkt den Euro fast abgeschrieben, als der Austritt Griechenlands aus der Währungsunion im Raum stand. Dann gab sich Europa einen Ruck. Für das überschuldete Hellas wurde eine Lösung gefunden und der europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) eingeführt, der in Not geratenen EU-Staaten unter strengen Auflagen unter die Arme greifen kann. Doch abschütteln ließen sich die Sorgen bezüglich eines Kollaps der Währungsunion nicht, das Sicherheitsnetz blieb lückenhaft und schwach. Deshalb ist die grundsätzliche Einigung auf Transferzahlungen ein Meilenstein. Es wäre zwar verfrüht, jetzt schon eine allgemeine Entwarnung für den Euro zu geben, aber unterschätzt werden sollte die Einigung als Stabilitätsanker auch nicht.

Größere Inflationstoleranz der US-Notenbank

Zwei weitere Punkte sprechen für einen tendenziell robusten Euro. So hat Europa inzwischen die Corona-Pandemie besser in den Griff bekommen als die Vereinigten Staaten. Auch wenn die Lage fragil bleibt, sind damit die Voraussetzungen für eine schnellere wirtschaftliche Gesundung in Europa besser als in den USA.

Und zweitens sind die Zinsen in Europa schon länger auf einem Tiefstand. In den USA hat die Notenbank dagegen erst im Rahmen der Corona-Krise die Zinsen bis an die Null-Prozent-Marke gesenkt und im Gegensatz zur EZB ein unlimitiertes Lockerungsprogramm (QE) aufgelegt. Die geschrumpfte Zinsdifferenz macht den US-Dollar als Anlagewährung unattraktiver. Hinzu kommt die gestiegene Inflationstoleranz der US-Währungshüter. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Fed in Kauf nimmt, dass das Teuerungsziel von rund zwei Prozent in den USA zeitweise deutlich überschritten wird. Beides spricht tendenziell gegen den Dollar.

Bleibt die Frage, ob der Ausgang der US-Wahl dem Dollar eher nützt oder schadet. Präsident Donald Trump steht für Steuersenkungen bei Unternehmen, was Gewinnrückflüsse in die USA unterstützt und dem Dollar Auftrieb gibt. Andererseits ist er unberechenbar, was die US-Währung schwankungsanfällig macht. Unter Joe Biden dagegen dürften die Gewinnrückflüsse wegen Steuererhöhungen abnehmen, was für den Dollar negativ wäre. Ein Belastungsfaktor bleibt dagegen unabhängig vom Wahlausgang die hohe US-Verschuldung. Deshalb spricht in Summe derzeit mehr für einen robusten Euro.

Jörg Zeuner:

 


Chefvolkswirt bei Union Investment

Zeuner leitet seit Juni 2019 den Bereich Research & Investment Strategy des Portfoliomanagements von Union Investment. Zuvor war er Chefvolkswirt der KfW und leitete die volkswirtschaftliche Abteilung der Bankengruppe. Er kam 2012 von der Liechtensteiner VP Bank, für die er vier Jahre lang als Chefvolkswirt arbeitete.

Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken und mit einem verwalteten Vermögen von rund 350 Milliarden Euro einer der größten deutschen Vermögensverwalter.