Johann August Sutter wurde 1803 in der Schweizer Gemeinde Kandern als Sohn einer vermögenden Familie geboren. Er wuchs in einem Dorf bei Basel auf, machte eine kaufmännische Lehre in einer Druckerei und eröffnete in der Kleinstadt Burgdorf ein Tuchwarengeschäft. Er heiratete eine Wirtstochter und hatte fünf Kinder. Doch es fehlte ihm an kaufmännischer Begabung. Seiner Firma drohte der Konkurs, die Behörden suchten ihn wegen eines Betrugsdelikts. Er floh erst nach Frankreich und später in die USA, ohne Frau und Kinder. 1839 kam Sutter im mexikanischen Alta California an, dem späteren US-Bundesstaat Kalifornien. In dem riesigen und abgelegenen Gebiet wohnten gerade mal 7000 weiße Siedler. Sutter ließ sich im fruchtbaren Sacramento-Tal nieder.
Der mexikanische Gouverneur von Alta California hatte ihm die Erlaubnis gegeben, dort eine rund 200 Quadratkilometer große Privatkolonie zu gründen. Sutter nannte sie "Neu Helvetien." Er vertrieb die Indianer, die dort lebten, rodete große Flächen für den Ackerbau, für Viehweiden, Obstkulturen und Weinberge, baute Sägemühlen, Schmieden und eine Gerberei. Und er baute am Zusammenfluss des American River und des Sacramento River ein Fort, das er mit sechs Meter hohen Mauern und Wachtürmen umgab und mit zwölf Kanonen bestückte. Hier sollte später Sacramento, die Hauptstadt von Kalifornien, entstehen. In dem kaum erschlossenen Gebiet herrschte das Faustrecht. Sutter rekrutierte eine 150 Mann starke Privatarmee, um seine Besitzungen gegen Indianer und Banditen zu verteidigen. "Ich war alles: Patriarch, Priester, Vater, Richter. Im Fort herrschten militärische Zustände", schrieb Sutter in seinen Erinnerungen. Man nannte ihn Captain, und später erhielt er den Namen "Kaiser von Kalifornien". Er war ein wohlhabender und geachteter Mann.
Ein Goldfund auf dem Gebiet seiner Privatkolonie sollte sein Leben völlig umkrempeln. 1848 baute der Schreiner James W. Marshall im Auftrag von Sutter eine Sägemühle am Südarm des American River. Dabei fand er im Fluss ein großes Nugget und brachte es zu Sutter. Der war sich der Brisanz dieser Entdeckung bewusst und versuchte, sie geheim zu halten. Vergeblich. Schnell verbreitete sich die Nachricht vom Goldfund im Sacramento-Tal. Jeder wollte Gold finden. Sutter: "Meine Arbeiter liefen davon, erst in kleinen Gruppen, dann verließen mich alle, vom Schreiber bis zum Koch, und ich steckte jetzt in großen Schwierigkeiten." Die Ernte konnte nicht mehr eingebracht werden, halbfertige Produkte verdarben.
Der kalifornische Goldrausch begann, die Medien berichteten von sagenhaften Goldfunden. Es folgte eine riesige Einwanderungswelle in das neue El Dorado - allein 1849 wurden 100 000 Neuankömmlinge gezählt, viele ließen sich auf Sutters Ländereien nieder. Die Goldsucher kamen aus der ganzen Welt. Viele riskierten ihr Leben, nur um rasch nach Kalifornien zu gelangen. Das Hafendorf San Francisco, das auf Sutters Boden stand, explodierte zur Boomtown. Von dort aus zogen die Goldsucher an den Fluss Sacramento.
"Durch die wogende Einsamkeit der Prärie wühlen sich die langen Wagenkolonnen der Westwanderer: Tausende, Zehntausende, die nach Kalifornien streben", schrieb der Historiker Bernhard R. Bachmann. "Was wissen diese Horden schon von Sutters verbrieften Rechten? Was schert sie sein altmodisches Bauernparadies? Sie schlagen ihre Zelt- und Hüttensiedlungen auf seinen Feldern, in seinen Hainen auf. Rücksichtslos hacken sie die Fruchtbäume um, nehmen die Bretter der Sägewerke, schlachten sein Vieh und nisten sich in den verlassenen Farmen ein. Gold ist das einzige Gesetz, das die Menschen anerkennen." Die Goldsucher der ersten Stunde konnten in den Flüssen und Minen tatsächlich Nuggets finden. An einem Tag konnten sie etwa zwanzigmal so viel verdienen wie ein Arbeiter an der Ostküste. Oft verdienten die Digger mit sechs Monaten harter Arbeit dasselbe wie in sechs Jahren normaler Arbeit. 1851 betrug die Goldproduktion rund 77 Tonnen - der Wert überstieg den damaligen amerikanischen Bundeshaushalt!
Glücksritter und Chaos
Recht und Ordnung brachen völlig zusammen. Es gab keine Polizei, keine Gefängnisse. Brutalität und Verbrechen waren an der Tagesordnung, Bürgerwehren formierten sich, jedermann trug im Halfter einen Coltrevolver. Schankwirte, Geldverleiher, Revolverhelden und geldgierige Händler ließen sich nieder. Selbst die Soldaten, die man in das Gebiet gesandt hatte, um dem Chaos Herr zu werden, desertierten und suchten nach Gold. Doch nur wenige Digger machten ein Vermögen. Schnell waren die guten Claims besetzt oder ausgebeutet. Reich wurden Händler und Geschäftsleute. Geld wurde mit einem Zinssatz von fünf Prozent pro Woche verliehen. Die Preise für Goldgräberausrüstungen verzehnfachten sich.
Der Ansturm der Goldgräber hatte Sutters "Kaiserreich" ruiniert. Er verarmte völlig. Die Jahre bis zu seinem Tod waren ein permanenter Kampf um seinen Besitz. Nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg von 1846 bis 1849 wurde Kalifornien von den USA annektiert und als 31. Staat in die Union aufgenommen. Sutter hoffte auf mehr Rechtssicherheit, klagte am Obersten Gerichtshof von Kalifornien, der ihm eine Entschädigung von 25 Millionen Dollar zusprach - zu bezahlen von den Eindringlingen auf seinem Territorium.
"Dieses Urteil ist in wenigen Tagen in ganz Kalifornien bekannt. Aufgehetzt von Schankwirten, Spielbankbesitzern, Kneipendirnen rottet sich der letzte Pöbel von San Francisco zusammen, zündet das Gerichtsgebäude an und versucht, die Richter zu lynchen", schrieb der Historiker Siegfried Hagl. "Tausende fallen über Sutters letzte Farmen her, sie stürmen Sutters Fort am Sacramento, zerstören seine Lagerhallen, Sägemühlen, töten seine letzten Viehherden, treiben die Pferde aus den Koppeln und reißen die Rebstöcke aus." Sutter hoffte auf die Unterstützung der Behörden in Washington. Vergeblich. Er starb 1880 an einem Herzinfarkt.
Der Goldrausch war zu Ende. Aber er hatte für die USA weitreichende Folgen. Der Mythos, geboren im Chaos des Wilden Westens, lebte in den Köpfen der Menschen fort als American Dream, ein neues Lebensgefühl statt des puritanischen Ideals der Einwanderer aus Neuengland, für die Fleiß, Sparsamkeit und Gottgefälligkeit der richtige Weg zum Erfolg waren. Im Goldrausch galten andere Gesetze: Wer Glück hatte, wurde an einem einzigen Tag vom Tellerwäscher zum Millionär. Es brauchte dazu die Bereitschaft zum Risiko und den Glauben an die zweite und dritte Chance im Leben. Schließlich war ja auch Business nur eine Art von Glücksspiel.