Kanadas 23. Premierminister dürfte einer der fittesten in der Geschichte des Landes sein. Bevor der 43-jährige Justin Trudeau 2010 erstmals ins Parlament am Ottawa Hill einzog, arbeitete er unter anderem als Snowboard- und Bungee-Jumping-Trainer. Der Sohn des früheren Ministerpräsidenten Pierre Trudeau weiß auch die Fäuste einzusetzen. Bei einem Charity-Boxkampf vor zwei Jahren schickte der linksliberale Politiker einen Senator der Conservative Party gekonnt auf die Bretter.

Auch in den Wahlen zum kanadischen Unterhaus triumphierte Trudeaus Liberal Party über die Konservativen. Die versprochene Kursänderung in der Wirtschaftspolitik kommt bei den Menschen an. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Stephen Harper hält Trudeau wenig von strenger Fiskalpolitik. Stattdessen will er viel Geld in die Hand nehmen, um die Konjunktur wieder ins Laufen zu bringen. Das Wachstum Kanadas hat sich vor allem aufgrund des Preisverfalls bei Öl und Edelmetallen erheblich abgekühlt. In diesem Jahr wird lediglich ein Plus von einem Prozent erwartet. Es wäre das schlechteste Ergebnis seit der Finanzkrise. Die Schwäche der kanadischen Wirtschaft zeigt sich auch an der Währung. Gegenüber dem Dollar notiert der "Loonie" aktuell auf einem Elfjahrestief und wird sich laut einer Analyse der Scotiabank weiter abschwächen. Bei den Bürgern steigt derweil die Angst vor Jobverlust. Im September war die Arbeitslosenrate auf 7,1 Prozent gestiegen, den höchsten Wert seit einem Jahr.

Die neue Regierung ist fest entschlossen, in der ersten Legislaturperiode und darüber hinaus deutlich mehr Dynamik zu entfachen. Schon im kommenden Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt um 2,7 Prozent zulegen. Erreichen will Trudeau dies zum einen durch konsumfördernde Steuerentlastungen für die Mittelschicht, zum anderen durch hohe Investitionen in die Infrastruktur. "Allein für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in den kanadischen Großstädten sind bis 2025 Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Kanadischen Dollar geplant", schreibt Boris Alex von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest in einer Studie. Weitere 20 Milliarden sollen in den sozialen Wohnungsbau, Parks, Sportstätten und Betreuungseinrichtungen für Kinder und Senioren fließen.

Ebenfalls 20 Milliarden will Trudeau für die Modernisierung der Wasserwirtschaft, der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie für Energieeffizienzmaßnahmen im Bausektor aufwenden. "Kanadas Jahre als völlig lustloser Akteur in Sachen Klimawandel sind vorbei", verkündet er. Unter Vorgänger Harper hatte Kanada sich bislang als einziges Land aus dem Kyoto-Protokoll verabschiedet. Auch in der Drogenpolitik schlägt die Regierung eine neue Richtung ein. Trudeau will den Gebrauch von Marihuana legalisieren.

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Reich an günstigen Werten



An der Börse in Toronto hat der neue Regierungschef bislang noch keine Rally ausgelöst. Marihuana-Firmen wie Metrium Health oder Canopy Growth waren zwar gefragt. Doch die notieren nicht im rohstoff- und bankenlastigen TSX Composite. Gleichwohl findet sich im Leitindex und im breiter gefassten MSCI Canada eine ganze Reihe von Titeln, die vom neuen Kurs deutlich profitieren werden - vorausgesetzt, Trudeau liefert. Die Investmentgesellschaft Macquarie zählt dazu unter anderen den in den vergangenen Jahren durch Akquisitionen, aber ebenso organisch stark gewachsenen Ingenieursdienstleister WSP Global. Für ein Engagement sprechen neben vermehrten Infrastrukturaufträgen seitens der kanadischen Regierung auch die Aktivitäten des Konzerns in anderen Staaten. So arbeitet WSP Global unter anderem mit am New Yorker One World Trade Center, dem Shanghai Tower und der Umweltstadt Masdar City in Abu Dhabi.

Der von Trudeau angekündigte neue Schwung in der Umweltpolitik weckt zudem Kursfantasien für Canadian Solar. Im dritten Quartal dieses Jahres lief die Nachfrage nach Solarmodulen des vor sechs Jahren gegründeten Unternehmens schon mal besser als erwartet. CEO Shawn Qu geht nun von einem Gesamtumsatz von bis zu umgerechnet 745 Millionen Euro aus. Gegenüber seiner ursprünglichen Prognose wäre dies ein Plus von 30 Prozent. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter zehn motiviert auch die günstige Bewertung zum Einstieg.

Die geplanten steuerlichen Entlastungen Trudeaus wiederum sprechen für Loblaw. Der mit über 2000 Filialen größten Einzelhandelskette des Landes ist es bislang gelungen, die in Kanada stark steigenden Lebensmittelpreise auf die Verbraucher abzuwälzen. Zudem ist eine Erhöhung der Dividende denkbar. Für Anleger, die diversifiziert am möglichen Aufschwung partizipieren wollen, bietet sich der UBS Equity Fund Canada an. Neben Finanz- und Konsumwerten hat Manager Raymond Halley Ölförderer hoch gewichtet. Sollte, wie die U.S. Energy Information Administration prognostiziert, die Nachfrage nach dem Rohstoff allmählich wieder anziehen, dürfte Halley mit Tourmaline Oil gut verdienen.

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