von Hans Volkert Volckens, Gastautor für €uro am Sonntag

Jetzt sind sie bekannt, die Eckpunkte zur künftigen Berechnung der Grundsteuer, auf die sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz und die Mehrheit der Länder geeinigt haben sollen. Doch diese Eckpunkte sind nach erster Bewertung kein Kompromiss, denn trotz vorgesehener Pauschalierungen gegenüber dem ursprünglich angedachten wertabhängigen Modell ist das Eckpunkte-Modell weit entfernt von einer einfachen und damit praktikablen Bewertung.

Doch schauen wir auf die jetzt vorliegenden Fakten: Die Eckpunkte sehen vor, dass zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei Wohngrundstücken künftig an die aus dem Mikrozensus abgeleitete durchschnittliche Nettokaltmiete angeknüpft werden soll. Ist jedoch die Miete bis zu 30 Prozent günstiger als die Durchschnittsmiete, wird nur die tatsächlich vereinbarte Nettokaltmiete angesetzt. Liegt die tatsächlich vereinbarte Miete noch darunter, bleibt es bei der um 30 Prozent reduzierten Durchschnittsmiete.

Darüber hinaus soll auch das Baujahr ein notwendiger Bewertungsparameter zur Ermittlung des Grundstückswerts werden. Als Ausgangspunkt für die Bewertung von Grund und Boden sieht das Modell die Bodenrichtwerte vor. Gemischt genutzte Grundstücke sowie ­Geschäftsgrundstücke sollen bei Nichtvorliegen von tatsächlicher oder orts­üblicher Miete in einem abweichenden Verfahren, dem sogenannten vereinfachten Sachwertverfahren, bewertet werden. Die Steuermesszahl soll nach grober Schätzung bei 0,325 Promille liegen, wobei nach Grundstücksarten differenziert werden soll. Zudem sollen die Kommunen die Option erhalten, eine Grundsteuer C einführen zu können.

Die Heranziehung von tatsächlichen Mieten bei Mietwohngrundstücken klingt zunächst überzeugend, ist jedoch tatsächlich von komplexer Natur. So stellen sich beispielsweise Fragen, wenn bei einem größeren Mietshaus entsprechende Verträge sehr unterschiedlich gestaltet sind. Auch verfassungsrechtlich ist die Bezugnahme auf tatsächliche Mieten schwierig, wie Professor Paul Kirchhof in einem Gutachten zum wertabhängigen Modell aufzeigt.

Außerdem droht durch den Bezug zum Baujahr eine systematische Benachteiligung des politisch gewünschten und dringend notwendigen Neubaus. Wenn man nun den Bewertungsansatz verfolgt, den Immobilienwert ­heranzuziehen, kann das Baujahr in die Irre führen. Mit Blick auf einen gut sanierten Altbau und einen einfachen Neubau ist festzustellen, dass das Baujahr den Wert nicht reflektiert.

Bei dem vereinfachten Sachwertverfahren für Wirtschaftsimmobilien hat gegenüber dem ursprünglichen Wertmodell keine Vereinfachung stattgefunden. Hierbei wird es sich jedoch um das Regelverfahren für die Bewertung handeln. Dies ist wenig praktikabel, denn Wertermittlungen von Immobilien sind sehr komplex, wobei sich dies bei Wirtschaftsimmobilien als Spezialimmobilien noch verstärkt. Warum die Chance vergeben werden soll, auch für Wirtschaftsimmobilien ein einfaches Bewertungssystem zu implementieren, erschließt sich nicht.

Überhaupt ist es einem wertbasierten Modell immanent, dass es einen hohen Verwaltungsaufwand für die Finanzverwaltung und Unternehmen mit sich bringt und dem Ziel einer einfachen und effizienten Steuererhebung entgegensteht. Jeder Euro, der hier weniger ausgegeben wird, steht am Ende der öffentlichen Hand und damit dem Bürger mehr zur Verfügung. Die Erhebungskosten der Grundsteuer sollten daher möglichst gering sein, um größtmöglichen Nutzen aus dem Steueraufkommen ziehen zu können.

Das Modell ist zudem intransparent und streitanfällig, denn die Justiziabilität von Bodenrichtwerten und Daten aus dem Mikrozensus ist bislang unklar. Es darf mindestens bezweifelt werden, dass der Mikrozensus realistische und belastbare Werte für jeden Einzelfall abbildet, besteht die Datengrundlage doch aus Erhebungen von nur einem Prozent der deutschen Privathaushalte alle vier Jahre. Insoweit erscheint die Anknüpfung an den Mi­kro­zensus verfassungsrechtlich fragwürdig.

Die Verwendung der Bodenrichtwerte für die Grundsteuer ist auch wegen der nicht immer durchgängig gleichen Qualität von Bodenrichtwerten kritisch zu sehen. Wesentlich einfacher und somit weniger streitanfällig wäre, wenn man allein auf eine physikalische Größe wie die Fläche Bezug nehmen würde. Dies wäre auch für den Steuerpflichtigen einfacher nachzuvollziehen als ein aus mehreren verschiedenen Faktoren ermittelter Wert.

Grundsteuer C führt nicht zum gewünschten Erfolg

Die Eckpunkte sehen ebenso vor, dass die Kommunen die Option erhalten sollen, eine Grundsteuer C auf unbebaute baureife Grundstücke zu erheben. Bereits im Jahr 1961 wollte man so die stetig steigenden Preise für unbebaute sowie bebaubare Grundstücke in den Griff bekommen und der Baulandnot entgegenwirken. Wie mittlerweile aber em­pirisch belegt und auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags dargestellt, ist die Grundsteuer C hierfür ungeeignet. Bereits damals führte sie im Ergebnis dazu, dass sich das Grundstücksangebot entgegen den Erwartungen nicht vergrößert hat und der Markt der Grundstücksspekulanten einen unerwünschten Boom erlebte. Von den Bürgerinnen und Bürgern wurde sie als unsozial und ungerecht empfunden. Zu Recht wurde die Grundsteuer C daher vom Gesetzgeber nach nur zwei Jahren wieder abgeschafft.

Weiteres Konfliktpotenzial entstünde zudem bei der elementaren Frage, ab wann ein Grundstück bebaubar oder aber wann es bereits bebaut ist - mal ganz abgesehen von den Abgrenzungsschwierigkeiten bei allen Grundstücken, auf denen neben einer Wohnnutzung auch eine Gewerbenutzung möglich wäre. Obendrein wäre die Wiedereinführung auch zynisch, denn vor der Einführung einer Grundsteuer C sollten zunächst einmal die Gemeinden die ­eigenen bebaubaren Flächen der Verwertung zuführen. Solange beispielsweise Berlin das Tempelhofer Feld nicht zumindest teilweise einer Wohnbebauung zuführt, kann nicht ernsthaft eine Grundsteuer C für die Privatwirtschaft erhoben werden.

Insgesamt stellen die Eckpunkte, ­soweit vorliegend, noch keinen geeig­neten Kompromiss für die Grundsteuer dar. Fragen der Praktikabilität und Verfassungsfestigkeit sind dafür noch immer zu drängend.

Kurzvita

Hans Volkert Volckens
Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Steuerrecht, Head of Real Estate KPMG
Volckens ist Mitglied des Präsidiums des Zentralen Immobilien Ausschusses e.V. (ZIA) und seit 1. Januar 2019 Partner bei der KPMG AG Wirtschafts­prüfungsgesellschaft. Dort leitet er das ­Segment Real Estate. Der ZIA ist die ordnungs- und wirtschaftspolitische Interessenvertretung der gesamten deutschen Immobilienwirtschaft.






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