Die Überbringer schlechter Nachrichten riskierten in der Antike nicht selten ihr Leben. Heute verlieren sie nur ihren Job. Vor Kurzem feuerte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Chef des Statistikinstituts TÜIK (Türkiye Istatistik Kurum), Sait Erdal Dincer, nach nur zehn Monaten im Amt. Zum neuen Vorsitzenden ernannte er Erhan Cetinkaya.
Aber auch der bisherige Vize der Bankenregulierungsbehörde wird so schnell keine besseren Daten liefern können. Im Gegenteil: Am 3. Februar veröffentlichte TÜIK die Inflationsrate für Januar: Um schockierende 48,7 Prozent stiegen die Verbraucherpreise im Jahresvergleich. Unabhängige Experten vermuten jedoch, dass der reale Kaufkraftverlust sogar noch wesentlich stärker ausfällt. Die EnaGroup beispielsweise errechnete für den Dezember eine Teuerungsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat von 83 Prozent. Eine Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht. Es sei denn, die türkische Notenbank erhöht die Zinsen. Das würde auch die türkische Lira (TRY) stabilisieren. Die Devise verlor im vergangenen Jahr gegenüber dem Dollar und dem Euro um über 40 Prozent.
Doch Zinserhöhungen sind unwahrscheinlich. Erdogan lehnt diese mit Verweis auf den Koran vehement ab. Keineswegs ist seiner Einschätzung nach die wirtschaftliche Lage des Landes derart negativ. Zudem hält er entgegen der ökonomischen Lehrmeinung hohe Zinsen als die eigentliche Ursache für Geldentwertung. Notenbankchefs, die widersprechen, müssen ihren Hut nehmen. Seit 2019 zwang Erdogan drei Währungshüter zum Rücktritt. Der aktuelle Chef der Notenbank, Sahap Kavcioglu, agiert im Sinne Erdogans. Seit September senkte er die Zinsen um 500 Basispunkte auf 14 Prozent.
Staatliche Entschädigungen
Derweil versucht Erdogan die unter dem Preisdruck leidende Bevölkerung zu beruhigen. Die Inflation sei nur temporär, der Preisdruck werde infolge weiterer Zinssenkungen nachlassen, die Währung werde sich wieder stabilisieren. Um die Erholung der türkischen Lira zu unterstützen, hatte er zuvor schon die Bevölkerung aufgefordert, Dollar- und Goldbestände in Lira zu tauschen. Auch kündigte er staatliche Entschädigungen an, sollten die Währungsverluste höher ausfallen als die von Banken versprochenen Zinsen.
Der Währungsverfall wurde so zunächst gestoppt, ein nachhaltiger Anstieg gegenüber Euro oder Dollar ist jedoch eher unwahrscheinlich. Anleger, die auf einen wieder fallenden Lirakurs setzen, kaufen den von Vontobel aufgelegten Mini-Future auf EUR/TRY (ISIN: DE 000 VZ7 VXR 0) Das Papier weist einen Hebel von 2,30 auf. Die Knock-out- Barriere liegt bei 8,88 TRY je Euro, der Abstand beträgt beim aktuellen Wechselkurs 42 Prozent.