Erstmals in seiner 15-jährigen Geschichte bildet das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag die deutsche Wirtschaft in einer vor allem kriegsbedingt deutlich eingetrübten Situation ab. Der Barometerstand fällt dabei um 18,7 Prozent auf 38,6 Punkte, die Zwölf-Monats-Prognose geht noch stärker um 28,3 Prozent auf 27,5 Punkte zurück. Ähnlich niedrige Werte gab es zuletzt während des Ausbruchs der Corona-Krise vor zwei Jahren.

Vor allem bei einem möglichen Lieferstopp von russischem Gas erwarten die befragten Volkswirte gravierende wirtschaftliche Auswirkungen. Demnach rechnen 76,5 Prozent der Befragten in einem solchen Fall mit einer schweren Rezession in Deutschland. Als Sanktionsmaßnahme gegen Russland gerichtet, befürworten allerdings auch 40,8 Prozent einen Importstopp von russischem Öl und Gas. 59 Prozent lehnen ein solches Embargo ab. Das Thema wird in den Wortbeiträgen der Ökonomen äußerst kontrovers diskutiert. Dass die wirtschaftlichen Kosten eines Stopps für Deutschland hoch wären, bestreitet aber kaum jemand.

Auf die Frage, wie Deutschland sich unabhängiger von russischen Energielieferungen machen sollte, kristallisieren sich mehrere Favoriten heraus.

AKW-Laufzeiten verlängern

Dass Gasspeicher aus anderen Quellen befüllt werden sollten, um sich unabhängiger zu machen, befürworten 92 Prozent. Mit 82 Prozent Zustimmung folgt als Nächstes allerdings schon die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken (AKW). Auf Platz 3 schlagen 68 Prozent der befragten Volkswirte den beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien vor. Auf mehr Braun- und Steinkohleverstromung setzen weitere 51 Prozent. ZEW-Experte Friedrich Heinemann schlägt außerdem vor, die hohen Energiepreise jetzt wirken zu lassen, um Anreize zur Verbrauchsverringerung zu geben, statt Benzin- und Dieselpreise künstlich zu verringern.

Viele Ökonomen, Banken und Forschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft bereits deutlich gesenkt, teilweise sogar halbiert. Im Ökonomen-Barometer rechnen die meisten Fachleute für dieses Jahr noch mit ein bis zwei Prozent Wachstum in Deutschland - wegen der hohen Energiepreise, steigender Inflation und verstärkter Lieferengpässe. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gehen in ihrer Frühjahrsprognose von einem Wachstum von 2,7 Prozent im laufenden Jahr aus.