Die Barmer-Kundin hatte jahrelang gegen den Versicherer prozessiert. Der Dachverband der Solidargemeinschaften BASSG erklärte jetzt, die Kasse habe die alternative Absicherung generell anerkannt. Dies sei ein "Durchbruch". Die Barmer spricht hingegen von einem Einzelfall. Ebenfalls zurückhaltend äußerten sich die Verbände der gesetzlichen und privaten Krankenversicherer.
Hintergrund der gegenläufigen Ansichten ist die unklare rechtliche Lage. Seit 2007 gilt laut Gesetz, dass alle Bürger einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung angehören müssen, außer sie haben einen "anderweitigen Anspruch auf Absicherung". Dieser Passus soll Solidarvereine schützen. Doch weigern sich viele Versicherer, Wechselwillige ziehen zu lassen. Eines ihrer Argumente: Es fehle in den Satzungen der Solidarvereine ein fester Leistungskatalog. Allerdings hatte die Samarita schon 2013 ihre Satzung geändert. Auf diese Modifizierung bezog sich die Barmer nun bei ihrer Wechselerlaubnis.
Bei den gesetzlichen Kassen dreht sich der Streit um freiwillig Versicherte. Kassenmitglieder, deren Monatsverdienst unterhalb der derzeitigen Pflichtgrenze von 4950 Euro brutto liegt, müssen laut Gesetz bleiben. Bei den privaten Versicherern sind potenziell alle Kunden wechselberechtigt. Momentan gibt es bei der Samarita einen Aufnahmestopp. Laut Vorstandssprecher Urban Vogel hatte die Finanzaufsicht Bafin wegen der rechtlichen Unsicherheit, die auch in Steuerfragen besteht, darum gebeten.
Sozialexperten schätzen, dass in Deutschland mehr als 20 000 Menschen in Solidargemeinschaften abgesichert sind. Sie versprechen, im Krankheitsfall füreinander einzutreten.
Prinzip nicht neu
Die Geschichte dieser ungewöhnlichen Absicherung reicht Jahrzehnte zurück. Zuerst waren es Pfarrer oder Polizeibeamte, die sich gegenseitig Hilfe für jenen Teil der Krankheitskosten zusicherten, für die ihr Dienstherr nicht aufkommt. Heute gibt es auch offene Vereine, die Samarita, Solidago oder Artabana heißen. Sie setzen auf das Prinzip Eigenverantwortung. Bei der Samarita zahlen Mitglieder einen monatlichen Beitrag, der von Einkommen und Kinderzahl abhängig ist.
Ein Teil fließt auf ein persönliches Gesundheitskonto. Bei Wehwehchen entscheiden Mitglieder selbst, ob sie darauf zurückgreifen. Der andere Teil geht in einen Solidarfonds für aufwendigere Behandlungen, für die Mitglieder das Okay der Geschäftsstelle einholen müssen. Für teure Therapien etwa bei Krebs hat der Verein eine Restkostenversicherung abgeschlossen. Sie umfasst Krankheitskosten von mehr als 5000 Euro pro Person.
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Gesetzeslage noch unklar
Wie hoch sind die Ausgaben pro Kopf, verglichen mit der gesetzlichen Krankenversicherung? "Wir können nicht exakt sagen, um wie viel wir niedriger liegen", erklärt ein Samarita-Sprecher. Man sei nicht an die festen Vorgaben eines Leistungskatalogs gebunden, sondern übertreffe diesen sogar, wenn nötig. "Mitglieder können aber natürlich nicht einfordern, was sie wollen." Auch bezüglich der Beitragshöhe will der Sprecher keinen exakten Vergleich ziehen und sagt lediglich: "Unsere Beiträge weisen eine hohe Stabilität und Konstanz auf."
Eine Sprecherin der Barmer sagte, bei einem Wechselbegehren müsse weiterhin jeder Einzelfall geprüft werden. Dem widersprach der frühere Bundesinnenminister Otto Schily, der die Samarita-Klägerin anwaltlich vertritt: "Aus unserer Sicht hat dies über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung." Schily hatte die Sache bis vor das Bundesverfassungsgericht gebracht, das noch nicht entschieden hat (Az. 1 BvR 2062/17).
Der Jurist will diese Verfahren aus grundsätzlichen Erwägungen fortsetzen. Er und der BASSG betonten: "Am besten wäre es, wenn der Gesetzgeber nunmehr eine Klarstellung vornehmen würde." Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums lehnte es gegenüber BÖRSE ONLINE ab, sich zu einem möglichen Regelungsbedarf zu äußern. Zu "Einzelfällen" nehme sein Haus grundsätzlich keine Stellung. Ein Sprecher der Bafin lehnte mit derselben Begründung ebenfalls einen Kommentar ab.