Es ist ein Klimawandel, der durchaus positive Seiten hat: Im Juli drehte der CEMA-Geschäftsklimaindex der europäischen Traktoren- und Landtechnikhersteller von seinem tiefsten Stand in den vergangenen zehn Jahren wieder deutlich nach oben. Die Stimmung der Agrartechniker ist damit zwar immer noch im negativen Bereich, doch im Vergleich zu anderen Branchen wie dem Maschinenbau oder der Automobilindustrie in Europa sehen die Hersteller von Schleppern, Mähdreschern oder Häckslern damit schon wieder Licht am Horizont.

Auch die Investoren an der Börse sehen in der Landtechnikbranche offensichtlich gute Chancen, denn die Aktienkurse der börsennotierten Unternehmen sind nach den Meldungen der Halbjahreszahlen dabei, die durch die Corona-Pandemie erlittenen Verluste wieder wettzumachen. Der Kurs des US-Herstellers Deere & Co, Nummer 1 der Branche, steuert sogar wieder in Richtung Allzeithoch.

Trump statt Schweinezyklus

Dabei muss sich die Landtechnikbranche wie nie zuvor mit externen Einflüssen auseinandersetzen. Statt des sprichwörtlichen Schweinezyklus oder der Wettersituation bestimmen einerseits die anhaltenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Covid-19-Verbreitung und damit verbundene Beschränkungen der Wirtschaft die Investitionslust der Landwirte weltweit. Andererseits werden die Märkte für Agrarrohstoffe und damit die Einkommenssituation der Bauern auf allen Kontinenten seit einiger Zeit nicht mehr von Angebot und Nachfrage, sondern von politischen Ränkespielen zwischen Washington und Peking beeinflusst.

Der andauernde Handelsstreit, den US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochen hat, ist für die Landwirtschaft deshalb so bedeutend, weil die USA immer noch der weltweit größte Produzent (und Exporteur) von Agrarrohstoffen sind. China wiederum ist der global bedeutendste Käufer von Agrarprodukten - von Sojabohnen bis Schweinefleisch.

Noch vor zwei Monaten hatte sich der wahlkämpfende Trump gerühmt, den Kommunisten aus dem Reich der Mitte die Handelsvereinbarung "Phase 1" zwischen den USA und China abgepresst zu haben, deren wesentlicher Bestandteil der Kauf von amerikanischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen durch China ist. Doch die Asiaten setzen die Vereinbarung offensichtlich nicht um. Zumindest hat Peking seine Staatsunternehmen jüngst angewiesen, mit dem Verweis auf Covid-19 keine US-Agrarprodukte mehr zu kaufen. Das bedeutet eine erneute Eskalation des Handelskonflikts - und eine anhaltende Verunsicherung der US-Farmer, kombiniert mit Investitionszurückhaltung.

Zwang zur Modernisierung

Ausgerechnet die Milliardenhilfen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind es aber nun, die die Landtechniker wieder hoffen lassen, das versäumte Geschäft nachholen zu können. Hinzu kommt der Strukturwandel der Landwirtschaft. Die einfache Formel "Hat der Bauer wieder Geld, stellt er ’nen neuen Traktor aufs Feld" gilt nur noch eingeschränkt, aber nicht zum Schaden der Techniklieferanten. Darauf weist der jüngst von der OECD und der Welternährungsorganisation FAO veröffentlichte Agrarausblick bis 2030 hin.

Die Experten der Organisationen sehen einen weiter steigenden Bedarf an Lebensmitteln aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung. Das ist der ganz langfristige Ausblick. Andererseits rechnet die Studie in der kommenden Dekade nicht mit steigenden Preisen für Agrarrohstoffe - und damit auch nicht mit mehr Einkommen für die Bauern. Ursache ist ausgerechnet die zunehmende Technisierung der Landwirtschaft in Form von mehr und mehr autonom fahrenden Maschinen, unterstützt durch Drohnen oder effizienteren Einsatz von modernem Saatgut bis hin zu besserer Ausbildung der Landwirte. Das sorge, so die Experten, zuerst einmal für überproportional steigende Erträge - und weiterhin niedrige Rohstoffpreise. Erst ab 2030 würden die gewachsene Bevölkerungs- zahl und die Änderung der Ernährungsgewohnheiten wieder zu steigenden Preisen für die Rohstoffe und damit bessere Einkommen der Bauern sorgen.

Dem Zwang zur Modernisierung können die Landwirte also schlecht entkommen. Und auch überfällige Ersatzinvestitionen dürften das Geschäft der Techniker stützen. So ermittelten etwa die Experten des Wirtschaftsdiensts Bloomberg, dass die aktuelle Traktorflotte der US-Bauern über einen rollierenden Zehnjahreszeitraum die älteste seit Anfang der 1970er-Jahre ist.

Chancen bieten auch neue Märkte, etwa Indien: Ministerpräsident Narendra Modi setzt stark auf den Ausbau der Landwirtschaft als Konjunkturmotor für das Land mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl der Erde. Schließlich erzielen rund 56 Prozent der Inderinnen und Inder ihr Einkommen im Bereich Landwirtschaft. Und trotz Hightech in den Großstädten ist auf dem Land der Holzpflug hinter dem Zugrind noch nicht ganz ausgestorben. Das schiebt auch die Investitionen in Technik an.

So verkündete etwa Rajesh Jejurikar, Landtechnik-Chef des Multikonzerns Mahindra, im März: "Wir sind glücklich, ein Wachstum von 21 Prozent beim Absatz von Traktoren auf dem heimischen Markt für das vergangene Jahr zu beobachten. Und allein im Februar lagen die Traktorverkäufe auch um gut 20 Prozent über denen des Vorjahres." Der Corona-Pandemie zum Trotz - im April verkaufte Mahindra keinen einzigen Traktor - investieren die Landwirte Indiens weiter: Für den Juni meldete Mahindra ein Absatzplus gegenüber dem Vorjahr von zwölf Prozent bei den Schleppern; Landtechnik insgesamt legte um gut zehn Prozent zu.

Die Umsätze aus dem Rekordjahr 2018 wird die Branche wohl erst 2022 wieder erreichen. Aber die Halbjahreszahlen der börsennotierten Unternehmen wiesen fast überall einen Gewinn aus. Bis auf CNH Industrial: Beim einst aus dem Fiat-Konzern ausgegliederten Hersteller (Case IH, New Holland) konnte die Landtechnik die Corona-bedingten Verluste des Konzerns in der Lastwagen-, Baumaschinen- und Motorensparte nicht ausgleichen. Die bereits geplante Abspaltung der Landtechnik - dann immer noch die Nummer 2 der Branche - ist deshalb überfällig.

Baumaschinen bremsen das Geschäft

Die Nummer 3 der Landtechniker, der US-Konzern Agco mit seinen Marken Fendt, Valtra und Challenger, hat das erste Halbjahr trotz der Corona-Einschränkungen relativ gut überstanden. Unterm Strich steht ein Umsatzminus von knapp elf Prozent zum Vorjahreszeitraum, beim Gewinn verhält es sich ähnlich. Ohne ungünstige Währungsrelationen (Agco produziert hauptsächlich in Europa, Asien und Südamerika) hätte es noch besser ausgesehen. Das starke Engagement von Hedgefonds spricht für die Aktie.

Für den indischen Multikonzern Mahindra & Mahindra (Hotels, Fluglinien, Saatgut, Software, Autos) spricht das gewaltige Potenzial für Landtechnik auf dem Subkontinent. Zudem sind die Inder mit etlichen Beteiligungen (Sampo Rosenlew in Finnland, Hirsarlar in der Türkei) auf Expansionstour. Auch der japanische Konzern Kubota hat inzwischen ein festes Standbein durch eine Produktion in Europa, zudem in den USA. Allerdings bremsen Umsatzeinbrüche im Baumaschinensektor die gute Entwicklung.

Die Baumaschinen waren es auch, die bei Deere & Co (John Deere) das Geschäft im ersten Halbjahr belasteten. Allerdings hatte die 2017 übernommene deutsche Wirtgen-Gruppe seither mächtig zum Gewinn beigetragen. Zieht die Landtechnikkonjunktur neuerlich an, kann Deere nach Rationalisierungserfolgen wieder kräftig losackern.

 


Auf einen Blick

Landtechnik

Deere & Co, CNH Industrial und Agco sind die großen drei der Branche. Bei Kubota, Mahindra, Wacker Neuson oder Bucher Industries trägt die Landtechnik wesentlich zum Geschäft bei. In Krisenzeiten zeigten sich Landtechnikaktien immer schon relativ robust.