Sie haben in der Ausgabe 09/2019 über die sogenannte Schwarmfinanzierung berichtet, also das Einsammeln von Geld für bestimmte Projekte via Internet. In dem Artikel wurde ein Urteil des ­Bundesfinanzhofs zu diesem Crowdfunding ­beziehungsweise Crowdlending erwähnt. ­Demnach seien Verluste steuerlich absetzbar (Az. VIII R 13/15). Leider machte ich unlängst gegenteilige Erfahrungen. Ich habe für das Jahr 2018 zwei Insolvenzen von Start-up-Unternehmen steuerlich geltend gemacht, bei denen ich über Crowdfunding ein partiarisches Nachrangdarlehen gegeben hatte, über das ich am Gewinn beteiligt werden sollte. Das Finanzamt erkannte meine erlittenen Verluste nicht an und erklärte, das Urteil stelle eine Einzelfallentscheidung dar. Muss ich das so akzeptieren?

€uro am Sonntag:

Nein, das müssen Sie so nicht akzeptieren. Betroffene Steuerzahler sollten sich per Einspruch gegen den Steuerbescheid zur Wehr setzen und ein "Ruhen des Verfahrens" beantragen. Das kostet nichts, und auf diese Weise sichern sich Steuerzahler auch dann eine nachträgliche Steuererstattung, wenn das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) demnächst von den Finanzämtern in allen Streitfällen doch noch umgesetzt wird.

Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. So ist vor dem BFH zum gleichen Thema ein weiteres Verfahren anhängig (Az. X R 9/17). Es ist nicht zu erwarten, dass der dabei zuständige zehnte Senat des Gerichts die vom achten Senat gerade erst neu ausgerichtete Rechtsprechung gleich wieder einkassiert. Sollte das wider Erwarten doch so kommen, wäre das rechtliche Chaos perfekt.

Zu dem Durcheinander tragen auch diverse andere Verfahren bei. So verweigerte das Hessische Finanzgericht in einem Fall den steuerlichen Abzug von Kreditverlusten (Az. IX R 17/18). In einem weiteren Streitfall muss der BFH klären, ob auch der Verzicht auf eine noch ausstehende Darlehensforderung steuerwirksam geltend gemacht werden kann (Az. IX R 9/18). Geklärt werden muss auch, zu welchem Zeitpunkt die Verluste aus privaten Darlehensvergaben steuerwirksam werden (Az. VIII R 28/18). Sie sind also nicht der Einzige, der in diesen Fragen Klärungsbedarf hat.

Übrigens: Wenn die Finanzämter Verluste aus privaten Darlehensvergaben nicht steuerlich akzeptieren, tun sie das unter Berufung auf eine Anweisung aus dem Bundesfinanzministerium. Die datiert von Anfang 2016. Doch solche Anweisungen binden nur die Finanzämter - für den einzelnen Steuerzahler sind sie nicht maßgeblich.

Offizielle Stellungnahme steht aus


In dem in Ihrer Frage erwähnten Urteil hat der BFH dem Schreiben, in dem das Bundesfinanzministerium die Verwaltungspraxis vorgibt, bereits eine klare Absage erteilt. Ein offizielles Statement der Behörden zu der neuen Rechtslage steht immer noch aus - man berät intern schon seit über einem Jahr, wie man mit dem Richterspruch ­zugunsten der Steuerzahler umgehen soll. Das BFH-Urteil ist deshalb immer noch nicht im ­Bundessteuerblatt veröffentlicht und daher nicht allgemein anwendbar. Folglich erklären die Finanzämter, dass das BFH-Urteil zum Vorteil der Steuerzahler eine Einzelfallentscheidung gewesen sei. Das stimmt aber so nicht.