Der Industriegasekonzern Linde stellt sich wegen der lahmenden Industriekonjunktur und des Ölpreisverfalls auf ein weiteres schwieriges Jahr ein. "Die Herausforderungen werden nicht weniger", sagte Linde-Chef Wolfgang Büchele am Donnerstag auf der Bilanzpressekonferenz in München. "Mittelfristig werden wir uns weiterhin in einem Marktumfeld bewegen, das durch mäßiges Wachstum, geopolitische Instabilität und hohe Volatilität geprägt ist." Für 2016 strebt Linde einen währungsbereinigten Umsatz- und Ergebnisanstieg von bis zu vier Prozent an. Büchele warnte aber zugleich, dass aufgrund des herausfordernden Marktumfelds auch ein Rückgang von bis zu drei Prozent möglich sei.

Bereits im vergangenen Jahr machten die Folgen der stark gefallenen Rohstoffpreise Linde zu schaffen. Dank positiver Währungseffekte und des guten Geschäfts mit medizinischen Gasen stieg der Umsatz 2015 zwar um 5,3 Prozent auf 17,94 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (Ebitda) wuchs um 5,4 Prozent auf 4,13 Milliarden Euro. Währungsbereinigt gingen Umsatz und Ergebnis jedoch jeweils um gut zwei Prozent zurück.

ANLAGENBAU SCHWÄCHELT



Vor allem im Anlagenbau, in dem Linde etwa Maschinen für die Verarbeitung von Rohöl und Erdgas anbietet, bekommen die Münchener die Zurückhaltung der Kunden zu spüren. Im vergangenen Jahr brach der Umsatz der Sparte um 16,5 Prozent auf 2,59 Milliarden Euro ein. Ein Lichtblick für das Unternehmen ist eine strategische Partnerschaft mit dem russischen Energieriesen Gazprom, die bereits in einen ersten Großauftrag mündete. Doch wird es dauern, bis sich der Auftrag im Umsatz niederschlägt. Im laufenden Jahr rechnet Linde daher im Anlagenbau mit einem weiteren Rückgang der Erlöse auf zwei bis 2,4 Milliarden Euro. Er sehe aber zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit für Stellenstreichungen, sagte Büchele.

In der Gasesparte, die den Löwenanteil zu Umsatz und Ergebnis beiträgt, profitierte Linde von einem guten Geschäft mit medizinischen Gasen und steigenden Patientenzahlen vor allem in den USA. Insgesamt steigerte die Gasesparte den Umsatz im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf 15,17 Milliarden Euro, bereinigt um Währungs- und Erdgaspreiseffekte betrug das Plus 2,1 Prozent.

Linde hatte 2012 den auf Medizingase ausgerichteten US-Gesundheitsdienstleister Lincare übernommen und dieses Geschäft jüngst mit der Übernahme von American HomePatient verstärkt. "Damit bauen wir unsere Position als weltweite Nummer eins in diesem Bereich weiter aus", sagte Büchele. Linde werde sich auch im laufenden Jahr nach Übernahmezielen im Gesundheitssektor umschauen. Der Sparzwang im US-Gesundheitssystem geht aber auch an den Bayern nicht spurlos vorbei: Die staatlichen Erstattungen im US-Healthcare-Geschäft werden Ende 2016 um 40 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen, sagte der verantwortliche Manager Thomas Blades. Damit entgehen Linde mehr als 100 Millionen Euro Umsatz, wie ein Sprecher erläuterte.

"KEINERLEI DISSENS" MIT REITZLE



Ab Mai soll der langjährige Linde-Chef Wolfgang Reitzle seinem unter Druck geratenen Nachfolger Büchele auf die Finger schauen. Büchele hatte die von seinem Vorgänger vorgegeben ehrgeizigen Mittelfristziele seit seinem Amtsantritt im Mai 2014 bereits zwei Mal gekippt. Linde sei kein angeschlagenes Unternehmen, sondern wachse profitabel, sagte Büchele. Er habe sich bereits mehrfach mit Reitzle getroffen und es gebe keinerlei Dissens zwischen ihnen. "Insofern gehe ich absolut entspannt in die Zukunft."

Trotz der eher trüben Aussichten für 2016 stieg die Linde-Aktie in einem sehr freundlichen Gesamtmarkt um 1,5 Prozent. Aktionäre freuten sich über die auf 3,45 (Vorjahr: 3,15) Euro je Aktie aufgestockte Dividende. "Die höhere Ausschüttung war eine ziemlich große Überraschung", schrieb Baader-Bank-Analyst Markus Mayer in einem Kommentar. "Linde wird zum Dividendenwert."

Reuters