Die Erklärungen konnten gleichwohl ein weiteres Absacken der Lira nicht verhindern. Ein Dollar kostete zeitweise mehr als 5,50 Lira und damit so viel wie nie zuvor. Seit Jahresbeginn hat die türkische Währung rund ein Drittel an Wert eingebüßt.
Parallel dazu trieben am Donnerstag verstärkte Spekulationen auf Zahlungsausfälle in der Türkei die Kosten für Kreditausfall-Versicherungen auf den höchsten Stand seit Jahren. Der wachsende Einfluss Erdogans auf die Zentralbank beunruhigt internationale Investoren schon seit Monaten. Viele Anleger ziehen daher Geld ab und verkaufen türkische Anleihen und Aktien. Sie fürchten auch, dass der Währungsverfall die Banken des Landes in Bedrängnis bringen könnte. Am Freitag will Finanzminister Berat Albayrak - Erdogans Schwiegersohn - neue Pläne für die Wirtschaft vorstellen.
Im Juli hatte die Notenbank den Leitzins trotz der hohen Inflation von 15 Prozent nicht angehoben und damit Erdogans Forderung entsprochen. Der Präsident hat sich selbst als "Feind von Zinsen" bezeichnet. Er war erst im Juli erneut als Präsident vereidigt worden und verfügt nun über eine Machtfülle wie niemand vor ihm im Land. So wird der Notenbank-Chef künftig vom Präsidenten und nicht mehr vom Kabinett ernannt.
Der Analyst Paul Gamble von der Ratingagentur Fitch sagte Reuters, die Türkei müsse den Lira-Verfall schnell stoppen. "Wir schauen uns die Entwicklung genau an", sagte der Experte. Seit der Fitch-Entscheidung von Mitte Juli, das Rating der Türkei auf "BB" zu senken, habe sich die Lage weiter verschlechtert. Mit "BB" ist die Türkei bei Fitch im Mittelfeld der von "AAA" bis "D" reichenden Skala als spekulative Anlage geführt. Um den Druck von der Lira zu nehmen, müsse etwa die Notenbank tätig werden und Ankaras Beziehung zu Washington müsste sich bessern, sagte Gamble. Eine weitere Herabstufung ist nicht ausgeschlossen, der Fitch-Ausblick ist "negativ". Ein schlechteres Rating zieht üblicherweise steigende Kosten für den Schuldendienst nach sich.
Im Streit zwischen Washington und Ankara über den in der Türkei festgehaltenen US-Pastor Andrew Brunson brachten Gespräche hochrangiger Regierungsvertreter beider Seiten am Mittwoch in Washington nach US-Angaben keinen Durchbruch. Aus türkischen Kreisen hieß es, die von Außen-Staatssekretär Sedat Önal angeführte Delegation sei inzwischen wieder zurück in Ankara. Brunson lebt seit mehr als 20 Jahren in der Türkei. Die dortige Justiz wirft ihm nun vor, Kontakte zum Prediger Fetullah Gülen unterhalten zu haben, den Erdogan für den Putschversuch in der Türkei vor zwei Jahren verantwortlich macht. Brunson weist dies zurück. Die USA und die Türkei haben inzwischen Sanktionen gegen Minister des jeweils anderen Landes verhängt. Die Regierung in Washington stellt zudem den teilweise zollfreien Zugang der Türkei zum US-Markt auf den Prüfstand.
rtr