VW-Markenchef Ralf Brandstätter rückt zu Jahresbeginn in den Konzernvorstand auf und übernimmt das neue Ressort "Volkswagen Pkw". Konzernchef Diess soll Mitte 2022 die Leitung des wichtigen, zuletzt schwächelnden China-Geschäfts an Brandstätter abgeben, behält aber die Verantwortung für die Volumenmarken und wird oberster Chef der Software-Tochter Cariad. "Ich fühle mich durch die Berufungen und die Organisation deutlich gestärkt", sagte Diess.

Der Vorstandschef bleibe verantwortlich für die Strategie auf Feldern wie Software und Batterien, betonte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Die teils öffentlich ausgetragenen Scharmützel über die Frage, ob Diess der richtige Mann an der VW-Spitze ist, hatten die Wolfsburger mitten in der Investitionsplanung für die nächsten Jahre und dem Kampf gegen die Halbleiter-Knappheit in Beschlag genommen. "Musste so etwas sein wie in den vergangenen Wochen? Nein", sagte Pötsch. "Das war alles andere als toll für das Unternehmen." Doch Streit über den künftigen Weg gehöre dazu. Anlass zu Sorgen über VW gebe es nur, wenn man nichts mehr aus Wolfsburg höre. Die VW-Aktie hatte durch den Streit fast ihre gesamten Kursgewinne aus dem Frühjahr verloren, zuletzt aber wieder zugelegt.

Diess hatte den Betriebsrat Ende September durch Überlegungen über einen möglichen Abbau von Zehntausenden Arbeitsplätzen gegen sich aufgebracht. Auch das mit 20 Prozent an Volkswagen beteiligte Land Niedersachen war entsetzt. Erst im Juli hatten die Eigner den Vertrag von Diess bis 2025 verlängert und seinen Kurs bestätigt, die Transformation zu einem Technologieanbieter nach dem Vorbild des US-Elektroautobauers Tesla zu beschleunigen. Betriebsratschefin Daniela Cavallo machte am Donnerstag klar, dass es weiter Gesprächsbedarf gebe: "Wir lassen nicht zu, dass Umbau, Wandel und Transformation einseitig auf Kosten der Beschäftigten gehen oder Teile der Belegschaft abgehängt werden."

"KEIN GUTES BILD ABGEGEBEN"


Ein Kernpunkt des Zwists ist Diess' Drängen, das Stammwerk Wolfsburg schneller zu modernisieren. Einschließlich Verwaltung und Entwicklung arbeiten dort mehr als 60.000 Menschen für Volkswagen. Es ist die Machtbasis der IG Metall. Das erklärt auch die Härte, mit der Konflikte ausgetragen werden. "Mit den jüngsten Personalentscheidungen, die der Aufsichtsrat heute kommuniziert hat, soll nun wieder mehr Ruhe einkehren", erklärte Cavallo in einem Brief an die Beschäftigten. Volkswagen habe zuletzt in der Öffentlichkeit kein gutes Bild abgegeben.

Diess hatte nach einem vorangegangenen Streit schon die Führung der Kernmarke VW abgeben müssen. Er büßt jetzt nicht ganz so viel an Einfluss ein, wie diskutiert wurde. Denn Insidern zufolge war im Gespräch, dass Brandstätter als neuer starker Mann im Konzernvorstand auch die Verantwortung für die Volumenmarken übernimmt. Als Nachfolger Brandstätters soll im Juli außerdem Thomas Schäfer, zurzeit Chef der tschechischen Marke Skoda, in den Konzernvorstand aufrücken.

Der Aufsichtsrat segnete außerdem ein knapp 160 Milliarden Euro schweres Budget für die kommenden fünf Jahre ab, mit dem Diess den Umbau von Volkswagen zu einem Technologieanbieter nach dem Vorbild des US-Elektroautobauers Tesla beschleunigen kann. In dem Investitionsplan für die Jahre 2022 bis 2026 machen Zukunftsinvestitionen, in erster Linie für Elektromobilität und Digitalisierung, mit 89 Milliarden Euro erstmals den größten Anteil der Gesamtinvestitionen von 159 Milliarden Euro aus. Volkswagen peilt an, dass im Jahr 2026 jedes vierte verkaufte Fahrzeug einen batterie-elektrischen Antrieb hat.

"SCHLUSS MIT DEM STÜHLERÜCKEN"


Analysten äußerten sich erleichtert, dass der wochenlange Machtkampf zwischen Konzernchef und Betriebsrat damit beigelegt sein könnte. "In so einem gigantischen Konzern ist es wichtig, dass sich der CEO auf die Strategie konzentriert", sagte Jürgen Pieper, Autoexperte von der Privatbank Metzler. Andererseits habe Diess für den gewaltigen Umschwung zu Elektromobilität gestanden. Ohne operative Verantwortung sei es nicht sicher, ob er hier noch als Motor wirken könne. "Das Wichtigste ist, dass jetzt Schluss ist mit dem permanenten Stühlerücken", sagte Arndt Ellinghorst von Bernstein Research. Das Management müsse die Beschäftigten mitnehmen, um effizient zu arbeiten. "Ständig die Vorstände zu wechseln ist Gift für die Unternehmenskultur und die Transformation des Konzerns."

Neu in das Spitzengremium rücken zum 1. Februar auch Hauke Stars als Vorständin für das neu geschaffene Ressort für IT und Organisation und die Audi-Managerin Hildegard Wortmann für den Vertrieb ein. Damit steigt die Zahl der Mitglieder auf elf. Chefjustiziar Manfred Döss übernimmt das Ressort für Integrität und Recht von der scheidenden Vorständin Hiltrud Werner. Personalvorstand Gunnar Kilian erhält einen neuen Vertrag.

rtr