Auf der Siegesfeier vor der Kulisse des Eiffelturms versprach Macron seinen Anhängern sich für "ein stärkeres Europa" einzusetzen und Präsident aller Franzosen zu sein. Diese skandierten: "Macron, Präsident". Doch fiel sein Wahlsieg nicht mehr so glänzend aus wie vor fünf Jahren, auch weil die Wahlenthaltung mit rund 28 Prozent voraussichtlich so hoch war wie seit 1969 nicht mehr.

Macron erklärte, es müsse die Wut derjenigen angesprochen werden, die für seine Rivalin gestimmt hätten. Auch müsse darauf reagiert werden, dass so viele Wähler den Urnen ferngeblieben seien. Le Pen fuhr zugleich das historisch beste Ergebnis der extremen Rechten ein. Sie gestand ihre Niederlage umgehend ein und gab sich zugleich mit Blick auf die im Juni anstehenden Parlamentswahlen kämpferisch. Das Spiel sei noch nicht vorbei, rief sie ihren Anhängern zu. Macron muss im Juni mit einer Einheitsfront der bislang zersplitterten Rechten rechnen.

Die Stichwahl war eine Neuauflage des Wahlduells der beiden von 2017, bei dem allerdings noch rund zwei Drittel der Wähler ihr Kreuz für Macron gesetzt hatten. Sein erneuter Triumph über die rechte Euroskeptikerin gilt als richtungsweisend für den weiteren Kurs Frankreichs. Das Land hat derzeit turnusgemäß den Ratsvorsitz in der EU inne und setzt sich für eine engere Kooperation ein - auch in Sicherheits- und Verteidigungsfragen. Le Pen will die Europäische Union hingegen durch ein "Europa der Nationen" ersetzen. Sie ist zudem für ein Ende der Rüstungskooperation mit Deutschland und hat damit in Zeiten des Ukraine-Krieges bei westlichen Partnern Frankreichs Sorge vor einem französischen Sonderweg ausgelöst.

Die Wiederwahl des bekennenden Transatlantikers Macron fällt in eine Zeit wichtiger Weichenstellungen: Bei einem Treffen zur Ukraine auf der US-Luftwaffenbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein erwarten die USA am Dienstag Vertreter aus mehr als 20 Staaten. Dabei stehen die langfristigen Sicherheitsbedürfnisse des von Russland angegriffenen Staates im Fokus. Zudem steht Ende Juni in Madrid ein wichtiger Nato-Gipfel an. Dabei will sich die transatlantische Allianz auf eine neue Langfriststrategie einigen, um Russland besser in Schach halten zu können.

"AGENDA BEI PARLAMENTSWAHL AUF PRÜFSTAND"


"Angesichts der geopolitischen Herausforderungen ist der Sieg Macrons ein wichtiges Signal an europäische Partner", sagte die Präsidentin der Hertie School in Berlin, Cornelia Woll, der Nachrichtenagentur Reuters. Macron müsse jetzt beweisen, dass er Präsident aller Franzosen sei, und sein Image als elitärer Musterschüler abstreifen. "Schon bei den Parlamentswahlen im Juni wird seine Agenda erneut auf dem Prüfstand stehen."

Denn im Juni wird sich bei den Parlamentswahlen zeigen, ob Macron mit seiner liberal-zentristischen Partei La Republique en Marche (LREM) weiter über breiten politischen Rückhalt verfügt, oder die rechte gestärkt aus den Wahlen hervorgeht. Der in der ersten Runde ausgeschiedene rechtsextreme Präsidentschaftsbewerber Eric Zemmour von der Partei "Reconquete" rief die nationalistischen Kräfte noch am Wahlabend dazu auf, ihre Kräfte zu bündeln: "Wir müssen die dominante Kraft im nächsten Parlament sein." Die Polizei setzte unterdessen laut Bildmaterial in sozialen Medien in Paris Tränengas gegen protestierende Macron-Gegner ein.

"BEKENNTNIS ZU EUROPA"


Bundeskanzler Scholz gratulierte Macron zum Wahlsieg. "Deine Wählerinnen und Wähler haben heute auch ein starkes Bekenntnis zu Europa gesendet", twitterte Scholz: "Ich freue mich, dass wir unsere gute Zusammenarbeit fortsetzen!" Diese Wahl sei eine Richtungswahl, erklärte FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Damit sei das vereinte Europa die größte Gewinnerin dieser Wahl. "In diesen stürmischen Zeiten brauchen wir ein starkes Europa und ein Frankreich, das sich voll und ganz für eine souveränere und strategischere Europäische Union einsetzt", twitterte EU-Ratspräsident Michel.

Le Pen war wegen ihrer früher offen zur Schau getragenen Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin im Wahlkampf in die Defensive geraten. Sie verurteilte den russischen Einmarsch in die Ukraine zwar. Zugleich musste sie sich aber für einen früheren Kredit einer russischen Bank an ihre Partei rechtfertigen.

Macron hatte in seiner ersten Amtszeit Reformen angestoßen und unter anderem die Steuerlast der Firmen gesenkt sowie den verkrusteten Arbeitsmarkt aufgebrochen. Die Arbeitslosigkeit sank und das Land entwickelte sich unter Macrons Führung zu einem Magneten für Direktinvestitionen. Der bekennende Zentrist, der sich programmatisch weder links noch rechts verortet, hat jedoch auch Kritiker auf sich gezogen. Links-orientierte Gegner kreiden ihm an, dass er Wohngeld gekürzt und zugleich Steuererleichterungen für Reiche durchgesetzt habe. In Erinnerung geblieben sind auch die Polizeieinsätze gegen die Gelbwesten-Proteste im Land.

rtr