€URO AM SONNTAG: Herr Vitt, profitiert Ihr Haus von der Krise deutscher Großbanken?


MARCUS VITT: Ich kann selbstbewusst bestätigen, dass wir an dieser Situation partizipieren. Unsere Kunden haben zu schätzen gelernt, einen langjährigen Ansprechpartner zu haben und nicht ständig mit neuen Strategien, Ideen und Skandalen konfrontiert zu werden. Unser Kunde registriert daher, dass sich unser Haus dank einer ruhigeren Geschäftspolitik auf ihn konzentrieren kann.

Freuen Sie sich deshalb über die Krise?


Die spezielle Situation bedauern auch wir. Es ist nicht schön, dass der deutsche Bankensektor in so eine Situation geraten ist. Aber eines dürfen wir nicht vergessen: Die Krise der Großbanken hat neben Negativzinsen und Regulierung auch große strukturelle Ursachen.

Wie meinen Sie das?


Es gibt eine starke Konkurrenz durch Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken, die ganz andere Rentabilitätsziele verfolgen können als sonst in der Wirtschaft üblich. Das ist bei uns in Deutschland einmalig und trägt durch verzerrte Preise zu den Problemen bei.

Die Branche trägt aber auch Mitschuld?


Sicherlich. Viele unrealistische Marketingversprechen der Banken haben die vergangenen Jahre bei Anlegern Bremsspuren hinterlassen. Daher ist es für unser Haus die größte Herausforderung, dass wir den Glaubwürdigkeitskonflikt positiv auflösen, den es in unserer Branche gibt.

Was heißt das konkret?


Wir wollen eine langjährige Beziehung zu unseren Kunden pflegen, um diese nachhaltig zu gewinnen. Dafür müssen wir - Schlagwort ehrbarer Kaufmann - wahrhaftig und ethisch agieren. Das ist nicht einfach zu vermitteln als Teil einer Branche, die sich zuletzt nicht mit Ruhm bekleckert hat.