Oberflächlich erscheinen die Zahlen verlockend: Um rund 30 Prozent hat der türkische Leitindex seit Beginn des Jahres zugelegt. Die türkische ist eine der wenigen Börsen weltweit, die 2022 überhaupt im Plus liegt. Doch Investoren haben nichts von dieser Performance. Denn die Inflation erreicht seit Monaten Rekordwerte: Im Juni lag die Teuerungsrate bei sage und schreibe 78,6 Prozent.

Wie das die vermeintlichen Gewinne zusammenschmelzen lässt, zeigt ein Blick auf den MSCI Turkey: In den vergangenen zwölf Monaten liegt das Plus hier bei 61 Prozent. Der gleiche Index in der Net-Euro-Variante liegt knapp ein Prozent im Minus.

Exotische Zinspolitik

Die extreme Teuerungsrate macht Bürgern und Unternehmen in der Türkei schwer zu schaffen. Dennoch hat die Zentralbank in Ankara entschieden, den Leitzins bei 14 Prozent zu belassen. Denn der relativ niedrige Zins ist politisch gewollt. Präsident Recep Tayyip Erdogan drängt bekanntlich seit geraumer Zeit sogar auf weiter fallende Zinsen. Wir erinnern uns: Im vergangenen Jahr wurde der Zins noch gesenkt. Von damals 19 auf die aktuell gültigen 14 Prozent.

Dabei wäre eine höhere Rate angemessen, um die weiter eskalierende Teuerung zu bremsen. Denn die wirkt sich auch negativ auf die Landeswährung aus: Vor gut einem Jahr gab es zehn Lira pro Euro, jetzt sind es über 18. Das ist ein Wertverlust von mehr als 80 Prozent. Zuletzt vermochte die Regierung den Verfall der Lira allerdings mit verschiedenen Kontrollmaßnahmen zu bremsen. So dürfen der türkischen Bankenaufsicht BDDK zufolge Firmen mit Devisenreserven von über 900.000 Dollar keine neuen Lira-Kredite mehr erhalten, sofern diese Summe zehn Prozent der Aktiva oder der jährlichen Umsätze überschreitet. Experten erwarten, dass diese Firmen nun verstärkt ihre Devisen in Lira tauschen.

An der grundsätzlich hohen Nachfrage nach Dollar, Euro & Co ändere dies aber nichts, sagte Timothy Ash, Chefanalyst für Schwellenländer beim Vermögensverwalter Blue Bay. "Sie wird getrieben von hoher Inflation, niedrigen Leitzinsen und einem fundamentalen Vertrauensverlust in die Politik." Er kritisierte die Maßnahme als kurzsichtig und als De-facto-Kapitalkontrolle.

Klar ist daher: Investitionen in die türkische Landeswährung sind nur etwas für Zocker. Denn so schnell wird Präsident Erdogan seine unorthodoxe Einflussnahme auf die Zinspolitik nicht beenden. So sagte er in einer im Fernsehen übertragenen Rede, dass höhere Zinsen "die Reichen reicher und die Armen ärmer" machten. Man werde daher "die Zinssätze weiter senken", so seine Worte.

Währungsrisiko begrenzen

Entsprechend hoch sind daher auch die Renditen für türkische Anleihen. Die gute Nachricht: Es gibt auch Papiere, die nicht in Lira, sondern in Dollar notieren. Und da dieser gegenüber dem Euro vermutlich noch länger zur Stärke neigt, geht man hier ein weit geringeres Währungsrisiko ein. Die Rendite von rund zehn Prozent kann sich ebenfalls sehen lassen.

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