Noch immer geht es an den Märkten tendenziell aufwärts. Eine größere Korrektur? Denkste, nach wie vor Fehlanzeige. Doch warum ist das so? Einfach, weil sich die Weltwirtschaft, getrieben durch fiskalischen Stimulus und geldpolitische Lockerungen, von der Pandemie schneller erholt als erwartet? Anscheinend ja. Womit die Wahrscheinlichkeiten nicht schlecht stehen, dass die Kurse weiter steigen, weil diese Antriebskräfte wohl auch noch in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 bestehen bleiben sollten.

Trotzdem ist die Unsicherheit an den Märkten nahezu greifbar. Was daran liegen mag, dass die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und das fundamentale Umfeld sich so rasant verändern, "dass die Finanzmärkte sie immer noch nicht vollkommen verarbeiten konnten". So beschreibt es Yoram Lustig, Anlageexperte vom Vermögensverwalter T. Rowe Price, in einer Studie. Sein Fazit: Wo Unsicherheit herrscht, da gibt es auch Chancen. Wer die nutzen möchte, sollte aber einige wichtige Aspekte beachten.

Investmententscheidungen sollten laut Lustig im Jahr 2021 nicht nur auf fundamentalen Kennzahlen basieren. Eine nachhaltige Erholung hänge davon ab, wie die "neue normale" Wirtschaftswelt nach der Pandemie aussehen wird. Investoren sollten hierbei auf Risiken einer "falschen" Erholung achten und Werte wählen, die in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs weiter steigen: Insbesondere zyklische Werte und exportorientierte Märkte könnten daher interessant sein.

Alles andere als vergleichbar


Ein zweiter wichtiger Punkt sind die Bewertungen. Die sind im historischen Vergleich deutlich erhöht, was man so deuten könnte, dass manche Investoren in Bezug auf die laufende Erholung eventuell zu optimistisch geworden sind. Viele Aktien haben die Antizipation steigender Erträge nach dem Einbruch im Frühjahr 2020 eigentlich bereits "eingepreist", wie es im Börsianerjargon so unschön heißt. Die erhöhten Bewertungen gerade für Technologieunternehmen erinnern dabei an die Blase der 90er-Jahre. Allerdings, gibt Lustig zu bedenken, "sind die Gewinnspannen der teuersten Unternehmen des heutigen S & P 500 deutlich höher als damals". Ein wichtiger Unterschied also zur damaligen Zeit und durchaus ein Argument, auch diesen Sektor nicht außen vor zu lassen. Dabei gilt es, jene Werte zu finden, die ein potenzielles Ertragswachstum tatsächlich realisieren können.

Vermehrten Fokus könnten Anleger auch wieder auf China richten, das besonders hohes Potenzial bietet. "Die Transformation im ökonomischen, sozialen und finanziellen Sektor der letzten zwei Jahrzehnte ist einzigartig und dürfte durch den souveränen Umgang mit der Pandemie nur weiter beschleunigt werden", analysiert Lustig. Allerdings sollte man auch die politischen Querelen gerade mit den USA beachten, die mit der steigenden Bedeutung von China für die Weltwirtschaft einhergehen.

Alles andere als linear


Am wichtigsten dürfte es indes sein, dass man sich nicht auf eine "lineare Erholung" einstellt. Bisher war der Trend dank der geldpolitischen Maßnahmen sehr stark, aber sobald dieses Umfeld sich ändert, wird die Volatilität spürbar ansteigen und das Wetter an den Märkten wieder ungemütlicher werden. Dazu Lustig: "Viele alte Grundlagen der Aktienanlage werden in Zukunft wohl kaum mehr Gültigkeit besitzen, und die Vergangenheit wird nicht ohne Weiteres als Maßstab für die Bewertung der Zukunft herangezogen werden können."

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com