Dass die Börsen seit dem Crash im vergangenen Jahr so stark gestiegen sind, hat seinen Preis. Im wahrsten Sinn des Wortes. Aktien sind recht teuer geworden. Vor allem amerikanische. Die sind aktuell nämlich so hoch bewertet wie selten zuvor. So liegt das zyklisch bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE Ratio) der US-Werte derzeit bei 36. Allerdings - und das schränkt die Aussagekraft etwas ein - bedeutet ein hohes CAPE Ratio nicht automatisch bald fallende Kurse, es liefert aber dennoch einen Eindruck, ob Aktien nun generell günstig sind oder nicht.

"Entgegen der Wahrnehmung vieler Investoren betrifft das hohe CAPE Ratio jedoch nicht nur Wachstumstitel, auch viele zyklische Substanztitel, also Value-Werte, sind überbewertet", sagt Eric Lynch, Experte des Vermögensverwalters Scharf Investments. "Letztere sind seit Herbst 2020 überdurchschnittlich gestiegen und nun wird ihnen zu viel Wachstumspotenzial unterstellt." Geht es nach Lynch, dann sollte man bei US-Aktien also besser etwas vorsichtiger sein. Ein weiterer Grund zur Besorgnis sei nämlich der Umstand, dass die operativen Margen der Unternehmen derzeit bei 13,7 Prozent liegen, während der langfristige Durchschnitt eher bei neun bis zehn Prozent liegt. Auch seien die Nachsteuergewinne aufgrund der Senkung des Unternehmensteuersatzes (von 35 Prozent auf 21 Prozent) gestiegen. "Diese Effekte sind in den aktuellen CAPE Ratios noch gar nicht berücksichtigt. Vielerorts werden die Bewertungen darüber hinaus von fantastischen Wachstumsstorys getrieben", so Lynch weiter.

Aktien aus dem Zwischenbereich


Das macht es für Aktionäre im Moment nicht leicht: Es gilt, qualitativ hochwertige Unternehmen zu finden, deren Aktien noch zu einem relativ günstigen Preis zu haben sind. Und diese gibt es aktuell "in dem wenig aufregenden Zwischenbereich jenseits von wachstumsstarken Technologiewerten und jenseits von tief zyklischen Value-Titeln", so Lynch. Dazu gehört beispielsweise der Gesundheitssektor, in dem die langfristigen Durchschnittsbewertungen noch günstig sind. Ebenso zählen qualitativ hochwertige Versicherungsunternehmen dazu, da ihre Bewertungen bisher noch nicht von der Rally zyklischer Value-Titel nach oben getrieben wurden. Auch unter den Industriewerten gibt es noch gute Investments, die günstig zu haben sind. "So sind beispielsweise Aktien aus dem Bereich infrastrukturelle Ingenieurdienstleistungen attraktiv. Sie werden zu KGVs gehandelt, die niedriger als die des gesamten Industriesektors sind, bieten gleichzeitig aber in jedem wirtschaftlichen Klima stabilere Erträge."Lynch rät auch zu Breitband- und Kabel- unternehmen. Sie seien aktuell sehr billig und die Pandemie habe aufgezeigt, dass sie aufgrund der Abhängigkeit der Verbraucher als Basiskonsumgüter angesehen werden sollten.

Einzelwerte statt Indizes


Letztlich ist also wohl wieder eine Zeit für Stockpicker angebrochen. Einfach auf einen Index zu setzen wie noch im vergangenen Jahr, wird in diesem Jahr vermutlich weniger gut funktionieren. "In Zukunft ist damit zu rechnen, dass die Renditen unter dem Trend liegen und auf Indexebene nicht attraktiv sein werden", sagt Experte Lynch.

Um es zusammenzufassen: Attraktive Renditen seien nur mit günstig bewerteten Unternehmen drin, die ein anhaltendes, qualitativ hochwertiges Gewinnwachstum lieferten. Dies seien jedoch nicht die Titel mit den spannenden Geschichten und den fantastischen Wachstumserwartungen.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com