Bitcoin und Blockchain, Cannabis, Elektromobilität und Wasserstoff. Ungläubig blicken alte, vermeintlich weise Männer und Frauen auf die neuen Modetrends der Börse. Die Kurse klettern, wenn auch unter erratischen Schwankungen, schier unaufhaltsam nach oben. Die neuen Jungmilliardäre, angeführt von ihrem nicht mehr ganz so jungen Guru Elon Musk, zeigen, wo’s langgeht.
Sehr erhellend sind in diesem Zusammenhang die Aussagen des Techunternehmers Justin Sun, der 2017 die Kryptoplattform Tron gründete. Gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg erklärte der 31-Jährige, auf dem Höhepunkt des Reddit-Hypes zehn Millionen US-Dollar in Aktien des notleidenden Videospielehändlers Gamestop gesteckt zu haben. Zwei Millionen sind davon noch übrig. Doch: "Selbst wenn ich mit der Aktie Geld verliere, glaube ich immer noch, dass dies ein Paradigmenwechsel ist. In der Vergangenheit sind wir alle den Ratschlägen der Finanzanalysten gefolgt. Heute treffen die Leute ihre eigenen Entscheidungen."
So begrüßenswert eigene Entscheidungen sind, so merkwürdig ist die Investmentphilosophie dahinter. Lieber Verluste machen als auf Analysten zu hören?
Doch auch abseits der Kursexzesse um Gamestop und Co stellt sich die Frage, wie lange das noch gutgehen kann. Die Bewertungen, gerade von Musks Tesla und anderen Vertretern der aktuellen Modethemen, sind auf einem Niveau angelangt, das den Höhepunkt der New-Economy-Blase im Jahr 2000 in den Schatten stellt. Auch damals war von einem Paradigmenwechsel die Rede. Die alten Bewertungskriterien, so hieß es, seien auf die neuen Technologien nicht anwendbar. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt.
Da passt es ins Bild, dass Blockchain-Unternehmer Sun, der 2019 bei einer Wohltätigkeitsauktion für 4,6 Millionen US-Dollar ein gemeinsames Abendessen mit Warren Buffett ersteigerte, nicht auf Tipps von der Börsenlegende aus war. Im Gegenteil: Er habe Buffett bei dieser Gelegenheit Bitcoin und Tesla-Aktien empfohlen, erklärte Sun im Bloomberg-Interview.
Maßlose Arroganz? Stand heute wäre Altmeister Buffett mit den Empfehlungen des Jungspunds ziemlich gut gefahren. Mehr oder weniger neidvoll warnen die Älteren vor einem "bösen Erwachen" und einem "bitteren Ende". Aber ist es nicht auch maßlos arrogant, den aktuellen Kursaufschwung allein einer "arglosen Generation von jungen Anlegern" zuzuschreiben, wie es viele erfahrene Börsianer tun? Zumal, wenn sie selbst nicht oder nur in geringem Umfang investiert sind.
Sicher tragen Hobbyzocker, die mit Kleinstbeträgen über Gratisbroker wie Robinhood die heißesten Aktien handeln, ihr Scherflein zum Börsenhype bei. Und ganz sicher werden aus den jetzt hochgejazzten Branchen nur wenige Unternehmen überleben. Das Gros wird - sei es durch Übernahmen oder Insolvenzen - vom Markt verschwinden. Die Begleitmusik wird, auch das lehrt die Erfahrung, Heulen und Zähneklappern sein. Nur weiß eben niemand, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist. Zur Erinnerung: Börsen können nicht nur irrational tief fallen, sie können auch irrwitzig hoch steigen.
Daher steht keineswegs fest, dass die 14 000 Punkte, die der Nasdaq-Composite-Index kürzlich (übrigens ziemlich genau 50 Jahre nach seiner Erstberechnung am 5. Februar 1971) erstmals übersprang, das Ende der Fahnenstange sein müssen. Beim DAX, der einen nahezu identischen Punktestand aufweist, schon gar nicht. Hier stammt die Mehrheit der Unternehmen auch nicht aus den gerade angesagten Branchen, sondern ist eher der langweiligen Old Economy zuzurechnen.