Die Börsen halten sich gut. Allerdings hat sich in den zurückliegenden Wochen etwas verändert. Vielleicht Entscheidendes. So sind plötzlich Aktien gefragt, die jahrelang vergessen oder vernachlässigt wurden: Banken, Industriewerte, Energie oder auch die Autobranche. Gleichzeitig entwickelten sich Technologieaktien relativ schwach. Das ist schon bemerkenswert, waren die Techs doch die Gewinner schlechthin in den vergangenen zehn Börsenjahren.

"Die Dynamik bei den Techs hat dabei seit 2018 noch einmal an Tempo zugenommen. Erst recht während der Coronapandemie in den vergangenen zwölf Monaten", analysiert David Wehner, Portfoliomanager beim Geldverwalter Do Investment das Geschehen. Mit recht dramatischen Auswirkungen auf die Unternehmenslandschaft: So gehören mittlerweile die sechs größten Unternehmen der Welt alle zur Technologiebranche.

Profitiert haben von den Lockdownbeschränkungen aber auch mittelgroße Techwerte und unprofitable Start-ups. Doch das könnte sich jetzt ändern: "2020 gab es hier ein erhebliches Umsatz- und Gewinnwachstum, das sich die nächsten zwölf Monate nur schwer wiederholen lässt", sagt Wehner. "Mit Beginn der Impfungen und der Reduktion der Lockdownmaßnahmen werden sich die Bedürfnisse der Konsumenten verändern. Streaming und Videospiele werden wieder durch Freizeitaktivitäten und Reisen ersetzt, Videokonferenzen durch persönliche Gespräche", so der Geldverwalter.

Das Problem steigender Renditen


Genau das scheinen die Börsen derzeit widerzuspiegeln. Neben der Veränderung der Bedürfnisse gibt es aber auch andere Faktoren, die aktuell die Techbranche negativ belasten: die steigenden Renditen und die Inflationserwartungen. Denn bei US-Renditen von 1,5 bis zwei Prozent sind Techaktien mit ihren teils extrem hohen Bewertungen nicht mehr so attraktiv wie noch bei Renditen von 0,6 Prozent für zehnjährige Rentenpapiere.

Für Anleger heißt es also, vorsichtig zu sein im Bereich Hightech. Jedoch ist auch klar, dass die Digitalisierung grundsätzlich weitergehen wird. "Technologiewerte werden weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft sein. Allerdings ist eine Korrektur nach dem Technologiejahr 2020 mehr als angebracht und gesund für die zukünftige Börsenentwicklung dieser Unternehmen", prognostiziert David Wehner. Der Experte erwartet auch, dass etablierte Unternehmen wie Apple, Microsoft, Alphabet und Amazon mit einem blauen Auge davonkommen werden. "Diese Unternehmen sind hochprofitabel und nicht mehr wegzudenken. Für junge Unternehmen, die durch Unprofitabilität auffallen und während des Hypes auf den Markt kamen oder sich in dieser Phase vervielfacht haben, wird es einen größeren Dämpfer geben."

Mehr Energie und Industrie wagen


Anleger sollten also ihre Portfolios breiter diversifizieren, als sie es bislang vielleicht getan haben. Von einer Phase, die durch einen konjunkturellen Aufschwung und steigende Inflationsraten geprägt ist, profitieren Branchen wie Energie, Öl und Gas sowie Industrie. Defensivere Branchen dagegen wie Pharma und Medizin gehören zu den relativen Verlierern.

Und Techaktien? Auch die werden wieder ihre Zeit haben. "Den zeitlichen Horizont bestimmen die Zentralbanken. Sollte die Gefahr bestehen, dass eine Korrektur am Technologiemarkt den Gesamtmarkt belasten könnte, werden sie intervenieren und die Finanzbedingungen lockern", erwartet Wehner.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com