Der Anstieg der Zinsen sorgt für eine gewisse Nervosität an den Märkten. Klingt paradox, aber letztlich geht es dabei darum, dass viele am Markt erwarten, dass die Konjunktur demnächst "zu gut" läuft und die Notenbanken gezwungen sind, tatsächlich am Leitzins zu drehen. Wichtigster Indikator dafür sind die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen, die seit Herbst 2020 von 0,7 Prozent auf rund 1,6 Prozent gestiegen sind.
Die Befürchtung ist also, dass der Aufschwung schnell wieder ausgebremst wird. Vielleicht ist das übertrieben: "Die Renditen sind von einem extrem niedrigen Niveau auf ein immer noch niedriges Niveau gestiegen", sagt etwa Till Budelmann, Chefinvestor der Schweizer Privatbank Bergos. "Das sollte der Erholung nichts anhaben." Gerade zum starken Aufschwung in den USA passe das nun etwas höhere Niveau viel besser. Schließlich rentierten vor dem Corona-Ausbruch US-Staatspapiere mit 1,9 Prozent und im Herbst 2018 sogar mit über drei Prozent.
Dass die Konjunktur in Fahrt kommt, zeigt sich auch am Ifo-Index. Der fiel im März mit 96,6 Punkten deutlich besser aus als im Februar. Entscheidend war dafür die weit optimistischere Zukunftseinschätzung: Hier gelang seit Langem wieder der Sprung über die Einhundertermarke auf 100,4 Zähler. Zuletzt war das im April 2018 der Fall gewesen.
Und damit nicht genug: Auch das von der Uni Michigan erhobene US-Konsumentenvertrauen wurde von ursprünglich 83 auf final 84,9 Punkte nach oben revidiert. Das sorgt wieder für etwas bessere Stimmung an den Aktienmärkten.
Zyklische Aktien sind gefragt
Ohnehin zeigt sich dort seit einer Weile schon die Hoffnung auf eine bessere Konjunktur: Weiterhin sind nämlich eher zyklische, also konjunktursensible Aktien gesucht, während es die lange gefeierten Wachstumstitel zuletzt schwerer hatten. "Gefragt sind vor allen zyklische Value-Titel wie Finanz- und Energieaktien. Defensivere Value-Titel wie Basiskonsum oder auch Versorgeraktien dagegen weniger", schränkt Budelmann ein.
Also alles gut? Nicht ganz. Ohne Risiko geht es an der Börse nicht. Und dieses Risiko besteht in der Möglichkeit eines "Inflationsschocks", also plötzlich und frappierend steigender Preise, was wiederum die Notenbanken zu höheren Zinsen zwingen würde. Die Indizien: Da ist das nahende Ende des Nachfragestaus plus der großen Mengen an Cash, die im privaten Bereich wie auch von den Unternehmen gehortet werden. Ein großer Boom bei den Ausgaben ist also möglich. Dem gegenüber stehen wiederum teils leere Lager und Probleme in den Lieferketten, was zu Verzögerungen und Knappheit in manchen Bereichen sorgt. Als Folge haben die Einkaufspreise zuletzt "so rasant zugelegt wie seit nahezu zehn Jahren nicht mehr", schreibt Ivan Mlinaric, Geschäftsführer beim Geldverwalter Quant, in einer Analyse. Bestes Beispiel dafür sind die Lieferengpässe im Bereich Halbleiter, die zu Produktionsausfällen führen.
Die Notenbanken sind gefragt
Dass die Zentralbanken in den kommenden Monaten deswegen kurzfristig die Zinsen erhöhen müssen, ist also durchaus möglich. Mit entscheidenden Konsequenzen für Börsianer. "Vor allem Wertpapiere, die in den vergangenen Monaten heiß gelaufen sind und auf einen Rückgang der Liquidität an den Märkten sensibel reagieren würden", stünden dann im Feuer, so Mlinaric. Es liegt also an den Notenbanken, hier so sensibel zu reagieren wie nur möglich, um die Dinge nicht zu stark zu bremsen.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com