Es läuft: Der DAX notiert so hoch wie nie - jenseits der Marke von 15 000 Punkten. Von einer Verschnaufpause kann keine Rede sein. Dass gerade der deutsche Leitindex so anzieht, liegt wohl auch daran, dass er einen Schwerpunkt auf zyklischen Branchen hat, wie beispielsweise Maschinen-, Anlagenund Fahrzeugbau sowie Chemie. Deutlich aufwärts ging es mit dem Bereich Automobil, da sich die massiven Investitionen in Elektroantriebe nun auszuzahlen scheinen. Auch der Finanzsektor profitiert wegen der Aussicht auf steigende Zinsen. Passend dazu klettert der Ifo-Geschäftsklimaindex. Und auch der Markit-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland notiert derzeit mit 66,6 Punkten auf einem Rekordhoch.
Retter in der Not?
In den USA fließt das Geld in Strömen. Mit dem "American Rescue Plan" von Präsident Joe Biden haben die Hilfsmaßnahmen in den Vereinigten Staaten ein historisches Ausmaß erreicht. So wurde zuletzt ein zusätzliches Infrastrukturprogramm in Höhe von drei Billionen Dollar angekündigt. Klotzen, nicht kleckern.
Vor allem das Verkehrsnetz soll flottgemacht werden: Straßen, Brücken, Schienen, Schleusen und Staudämme sollen saniert werden. Damit nicht genug, ist verteilt übers ganze Land der Bau von 500 000 Ladesäulen für Batterieautos geplant. Zudem sollen alte Dieselloks und Busse sukzessive durch elektrische Modelle ersetzt werden. Selbst gestecktes Ziel: Bis zum Jahr 2050 soll die US-Wirtschaft klimaneutral werden. Hinzu kommen der Ausbau des Internets, eine bessere Trinkwasserversorgung und zuverlässigere Stromnetze. Eine Menge Holz.
Das Infrastrukturprogramm ist jedoch nur der erste Teil des "Rettungsplans". Anfang Mai will Biden Details bekannt geben, wie er die Ungleichheit in der amerikanischen Gesellschaft bekämpfen möchte. Dabei wird es um das Thema Krankenversicherung gehen, um Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und darum, wie Familien besser gefördert werden. Auch über ein Kindergeld wird nachgedacht - das gab es in der langen US-Historie noch nie.
Doch das alles hat natürlich seinen Preis. Finanziert wird das Programm wohl vor allem über eine höhere Körperschaftsteuer: 28 statt 21 Prozent. Damit das effizient klappt, sollen Steuerschlupflöcher geschlossen und Auslandsgewinne mit einer Mindeststeuer von 21 Prozent belegt werden. Zu erwarten ist, dass die enormen Umwälzungen die Staatsverschuldung stark erhöhen: von aktuell etwa 126 Prozent der Wirtschaftsleistung auf dann voraussichtlich 140 Prozent.
Inflation als Gefahr?
Das wäre zu verschmerzen, sofern die Maßnahmen das US-Wachstum kräftig steigern. Die Volkswirte der LBBW in Stuttgart gehen davon aus, dass das klappt, und haben ihre US-Wachstumsprognose für das Jahr 2021 von 5,5 auf 7,5 Prozent erhöht. Auch für 2022 gehen sie von einer dynamischen US-Konjunktur im Zuge der Post-Pandemie-Erholung aus. Bleibt die Furcht vor höherer Inflation - und davor, dass die Notenbanken dann restriktiver werden müssen. Das ist schwer einzuschätzen. Bei der LBBW geht man jedenfalls davon aus, dass in den USA die höheren Unternehmensteuern inflationsdämpfend wirken. Summa summarum deutet das auf weitere Kursgewinne hin, denn der Aufschwung wird sich wohl auch 2022 fortsetzen.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com