Die Entwicklung an den Börsen stagniert seit Anfang Juni. Gute und weniger gute Nachrichten scheinen sich derzeit die Waage zu halten. "Der Juli könnte nun ofenbaren, ob das Schlimmste hinter uns liegt oder ob uns der tatsächliche ‚Schmerz‘ an den Märkten noch bevorsteht", prognostiziert Mark Dowding, Chefanleger beim Vermögensverwalter BlueBay Asset Management.
Die Fakten für das laufende Jahr scheinen Anleger jedenfalls verdaut zu haben. Laut Weltbank müssen in diesem Jahr 93 Prozent aller Volkswirtschaften mit einer Rezession klarkommen. Das gab es nie zuvor. Auch nicht während der Weltwirtschaftskrise in den 30er-Jahren. Der Abschwung fällt dabei je nach Region höchst unterschiedlich aus. Während die Weltwirtschaft insgesamt wohl um 5,2 Prozent nachgibt, sind es in Frankreich oder Italien geschätzt zehn Prozent. Auf der anderen Seite der Skala fndet sich die Volksrepublik China, wo die Pandemie ihren Lauf nahm. Hier könnte es sogar ein kleines Plus geben. Das sind Good News in schwierigen Zeiten.
Weniger krisenanfällig
Positiv aufgenommen wird von vielen Experten auch der deutsch-französische Vorschlag eines EU-Wiederaufaufonds. Dieser soll von dem ursprünglich geplanten Volumen von 500 Milliarden auf 750 Milliarden Euro aufgestockt werden. Die Folge ist eine voraussichtlich weniger krisenanfällige Eurozone. "Das wird sich prinzipiell positiv auf die Bewertung aller europäischen Assets auswirken", kommentiert Ernst Konrad, Geschäftsführer bei Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement. "Besonders werden aber die Anlageklassen proftieren, bei denen die Auswirkungen eines Zerfalls der Eurozone bisher als besonders gravierend eingeschätzt wurden, also Aktien und Anleihen aus Südeuropa, Finanzwerte und konjunkturabhängige, stark auf Europa fokussierte Sektoren."
Entscheidend ist letztlich aber, ob es zu einer zweiten Infektionswelle kommt. Mit Sorge schaut man daher vor allem Richtung USA. In einigen Bundesstaaten, darunter Texas, Florida, Arizona und Kalifornien, kam es erneut zu Lockdown-Maßnahmen. Das könnte zu einer langsameren Erholung der Wirtschaft führen. "Die Eile, die Wirtschaft wieder zu öfnen, bevor die Ansteckungsgefahr unter Kontrolle gebracht worden ist, hat dazu geführt, dass die Infektionsraten teilweise den bisherigen Höhepunkt vom April überschritten haben", sagt Vermögensverwalter Dowding. Auch die neuerlichen Spannungen zwischen Washington und Peking sind ein Risikofaktor.
Schwankende Prognosen
Die Prognosen für 2021 schwanken daher erheblich. Im positiven Fall kann man mit einem Plus der Weltwirtschaft von 4,2 Prozent rechnen. Allerdings ist auch ein nur sehr moderater Rebound von weniger als 1,5 Prozent denkbar, wenn die Schwierigkeiten zunehmen. "Falls einfache Maßnahmen genügen und Befürchtungen hinsichtlich einer zweiten Infektionswelle allmählich schwinden, ist es grundsätzlich möglich, dass die Risikobereitschaft in der zweiten Jahreshälfte weiter zunimmt - auch vor dem Hintergrund einer sehr akkommodierenden Finanz- und Geldpolitik", so Dowding. Sollte dies jedoch scheitern, dann sei es sehr wahrscheinlich, dass die Wachstumsaussichten und das Vertrauen der Investoren einen Schlag erlitten.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com