Von John Pierpont Morgan, besser bekannt als J. P. Morgan, einem der einflussreichsten Privatbankiers seiner Zeit, ist ein Zitat überliefert, das zur Bescheidenheit mahnt: "Ich bin reich geworden, weil ich die finalen 30 Prozent einer Aktienmarktrally anderen Leuten überlassen habe." Gesagt hat er das irgendwann Anfang des 20. Jahrhunderts. Lebte er heute noch, würde er den Satz vermutlich wiederholen - wenn er denn seinen Grundsätzen treu geblieben wäre. Denn es mehren sich ja schon seit Längerem die Anzeichen, dass die Börsenhausse, nun ja, etwas gedehnt ist. Sowohl was den Faktor Zeit angeht als auch den Faktor Bewertung.

Wer die Mahnung des ehrenwerten Mister Morgan im Gedächtnis behält, kann es aber dennoch riskieren, ein Stück von den finalen 30 Prozent abzubekommen. Denn anders als zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Anlagealternativen derzeit heute schließlich rar gesät. Morgan hatte damals bessere Möglichkeiten, sein Vermögen mit guter Rendite umzuschichten.

Außerdem sind im Hier und Jetzt die kurz- bis mittelfristigen Indikatoren einfach noch zu positiv, um schon aus dem Aktienmarkt auszusteigen. Man sollte das nicht außer Acht lassen: Es gibt etliche Faktoren, welche die angesprochene zeitliche und bewertungstechnische Dehnung der Börsenrally relativieren. Wer ausschließlich darauf verweist, dass Aktien zu teuer sind oder die Rally schon viel zu lange läuft, tja, der hätte schon vor zwei oder drei Jahren aussteigen müssen.

Was sind das also für Faktoren, die man als vorsichtiger Anleger im Auge behalten muss, um zwar rechtzeitig, aber nicht zu früh auszusteigen? Zunächst ist eine Erkenntnis wichtig, die man nicht oft genug wiederholen kann: In der Vergangenheit war es nämlich so, dass zwar nicht jede Korrektur am Aktienmarkt eine Rezession angekündigt hat, aber jede Rezession einen Kurssturz nach sich zog. Die Kernfrage lautet also: Wie weit sind wir von einer Rezession entfernt?

Um das rauszufinden, muss man einen Blick über den großen Teich werfen - das gilt auch für Anleger, die überwiegend in deutsche oder europäische Werte investiert sind. In den USA befindet sich schließlich die Leitbörse Wall Street, und dort agiert die bedeutendste Notenbank der Welt, die Fed - jene Orte, an denen die globalen Weichen gestellt werden.

Drei Bereiche sollte man hier regelmäßig unter die Lupe nehmen: Die finanzielle Entwicklung der privaten Haushalte, das Wohl und Wehe in der Unternehmenswelt und last but not least die Geldpolitik der US-Notenbank. Das Spannende ist, dass es in diesen Bereichen durchaus widersprüchliche Signale gibt. Insgesamt jedoch ist die Lage derzeit weiter positiv, um das gleich mal festzuhalten.

Die widersprüchlichen Signale sieht man ganz gut bei den privaten Haushalten. Da nimmt zwar der Konsum weiter zu, allerdings hält die Lohnentwicklung nicht mit. Für die Amerikaner heißt das: mehr arbeiten oder weniger sparen oder Kredite aufnehmen, um die Kauflust weiter so zu befriedigen wie bisher. Eindeutiger sieht es bei den Unternehmen aus: Die Gewinne entwickeln sich weiter positiv und werden wohl auch dank der Steuerreform weiter steigen.

Bleibt die Politik der Notenbank. Die spielt 2018 das Zünglein an der Waage. Zieht die Fed zu schnell Liquidität ab, wird es gefährlich. Stand jetzt ist aber in Summe alles noch in Ordnung. Man darf also weiterhin investiert sein. J. P. Morgans Zitat sollte man jedoch im Hinterkopf behalten.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com