Allenfalls Klarstellungen seien möglich. May kam am Mittag in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen, um ihre Möglichkeiten auszuloten. Am Montag hatte sie die geplante Brexit-Abstimmung im britischen Unterhaus vorerst abgesagt, da sie nicht mit der erforderlichen Mehrheit für die Austritts-Vereinbarung rechnen konnte. Was bei einem "Nein" geschehen würde, ist völlig unklar.

Die Abstimmung im Unterhaus ist nun vor dem 21. Januar geplant, wie ein Sprecher Mays mitteilte. Zustimmen muss dem Vertragswerk auch das Europäische Parlament, bevor das Vereinigte Königreich dann am 29. März aus der EU austritt. May versucht, der EU Zugeständnisse abzuringen, vor allem was die künftige Grenze zwischen Irland und Nordirland anbelangt. Dazu kam die britische Premierministerin am Vormittag mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte in Den Haag zusammen. Rutte sagte im Anschluss, es sei ein "nützliches Gespräch" gewesen.

Nach dem Treffen mit Merkel wollte May nach Brüssel weiterreisen, wo Unterredungen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und später mit Kommissionspräsident Juncker geplant waren. Auf der Europatour will sie ausloten, wie weit die europäischen Spitzenpolitiker vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag bereit sind für Nachverhandlungen des umstrittenen Brexit-Deals. Juncker wies dies zurück und betonte, es gebe nur Raum für "Klarstellungen und Interpretationen".

Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, forderte die britische Regierung auf, ihre Hausaufgaben in Sachen Brexit zu erledigen. Mit Blick auf das Treffen von May und Merkel sagte er, es sei immer gut zu reden. Verhandlungen fänden aber nicht in Berlin, sondern in Brüssel statt. Spielrum für Änderungen am Brexit-Vertrag sehe er nicht.

IFO FÜR NACHVERHANDLUNGEN - HARTEN BREXIT VERMEIDEN



Nach Auffassung von Handelspräsident Holger Bingmann sollte Großbritannien den Brexit abblasen. "Das beste wäre sicher, Großbritannien würde die Brücke nutzen, die der Europäische Gerichtshof mit seiner Entscheidung gebaut hat", sagte er zu Reuters. Das Land könnte demnach den geplanten Austritt einseitig rückgängig machen und in der EU bleiben. Derzeit sei die Unsicherheit größer denn je, die Firmen müssten sich auf den ungeordneten Brexit vorbereiten. Das Münchner Ifo-Institut spricht sich deshalb für Nachverhandlungen aus. "Zahlen des Ifo-Instituts zeigen, dass ein harter Brexit für beide Seiten mit erheblichen Kosten verbunden ist, auch wenn Großbritannien und Nordirland wirtschaftlich stärker verlieren als die anderen 27 EU-Mitglieder", sagte Ifo-Forscher Gabriel Felbermayr.

Im britischen Unterhaus zeichnete sich seit Wochen erheblicher Widerstand gegen das mühsam ausgehandelte Brexit-Vertragswerk ab. Nicht nur die Oppositionsparteien wollten dagegen stimmen, sondern auch rund 100 von Mays regierenden Konservativen. Viele von ihnen kritisierten insbesondere die im Pakt festgehaltene Garantie für Irland, mit der nach dem Brexit Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest der Insel vermieden werden sollen. Nach dem Brexit wäre die Grenze eine EU-Außengrenze. Im Fall von Kontrollen wird ein Wiederaufflammen der Gewalt befürchtet, wie in den Jahrzehnten vor dem Irland-Friedensabkommen von 1998.

Gelöst werden könnte das Problem durch einen neuen Handelsvertrag zwischen der EU und dem Königreich. Der kann aber erst nach dem Brexit verhandelt werden. Falls das nicht klappt, hat die EU eine Auffanglösung durchgesetzt, den sogenannten Backstop. Der würde das Königreich in einer Zollunion mit der EU halten, wobei Nordirland eine Sonderrolle hätte. Die Provinz müsste sich stärker als der Rest des Landes an das EU-Zollsystem und die Produktstandards halten. Dies lehnen vor allem die nordirischen Unionisten von der DUP ab, die die Minderheitsregierung Mays stützen.

rtr