Beim Sondertreffen der EU-Innenminister zeigte sich weiter Uneinigkeit unter den Mitgliedsstaaten der EU. Nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maziere wurde selbst die politische Vereinbarung zur Verteilung von insgesamt 160.000 Flüchtlinge nicht einstimmig erreicht. "Einige Staaten fühlen sich offenbar einer solidarischen Verantwortung angesichts dieser großen Herausforderung noch nicht verpflichtet", kritisierte der CDU-Politiker. Auch die EU-Kommission bemängelte, dass nicht das Ergebnis erzielt worden sei, dass sie sich gewünscht habe. Von der in Brüssel vorgeschlagenen verpflichtenden, dauerhaften Verteilung von Flüchtlingen blieben die Innenminister demnach weit entfernt. Ein formaler Beschluss zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen soll erst am 08. Oktober folgen. Vor allem osteuropäische Staaten sperrten sich nach Angaben von EU-Diplomaten gegen weitreichende Maßnahmen. Die Türkei soll im Gegensatz zu den Ländern des Westbalkan nach dem Willen der Innenminister nicht auf die Liste sicherer Herkunftsländer gesetzt werden. Grund ist nach Angaben der luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft die Situation der Kurden in dem Nato-Land.
Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel rechnet inzwischen damit, dass bis zu eine Million Flüchtlinge in diesem Jahr nach Deutschland kommen werden.[ID:nL5N11K1HZ] Für Dienstagabend lud Kanzlerin Angela Merkel die Ministerpräsidenten der Länder zu einem Krisentreffen ein. Zuvor trifft sich Merkel mit Faymann in Berlin. Direkt danach kommt das Kabinett zusammen, um über die Asyl- und Flüchtlingspolitik zu beraten. Am Sonntag hatte die Bundesregierung Grenzkontrollen angeordnet, deren Schwerpunkt im Grenzgebiet zu Österreich liegen. Auslöser war der ungebremste Zustrom von Flüchtlingen nach München, wo allein am Wochenende rund 16.000 Menschen ankamen.
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ÖSTERREICH: DEUTSCHLAND HAT SIGNAL GESETZT
"Wenn Deutschland Grenzkontrollen einführt, muss auch Österreich das tun", begründete Vizekanzler Reinhold Mitterlehner die Entscheidung seines Landes. Das österreichische Bundesheer soll die Polizei ab Dienstag bei den Grenzkontrollen unterstützen. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte zu, die Schengen-Regeln zum freien Reiseverkehr innerhalb der EU würden durch die Maßnahme nicht ausgesetzt. Opposition, Flüchtlingsverbände und eine Linken-Gruppe der SPD kritisieren dagegen, die Bundesregierung opfere mit ihrer Entscheidung europäische Errungenschaften. Flüchtlinge in Ungarn drohten im "lebensgefährlichen Chaos" zu versinken, erklärte Amnesty International. [ID:nL5N11K019]
Ungeachtet der Grenzkontrollen hielt der Zustrom der über Ungarn kommenden Flüchtlinge an. "Es kommen Tausende in Österreich an", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.
Zusätzlich anschwillen dürfte der Zustrom, weil die ungarischen Behörden damit begannen, das Flüchtlingslager in Röszke an der serbischen Grenze zu räumen. Tausende Menschen würden mit Zügen in Richtung österreichische Grenze gebracht, berichtete ein Reuters-Fotograf. Ministerpräsident Viktor Orban verstärkte den Grenzschutz im Süden des Landes mit fast 900 Polizisten. Ab Dienstag will das EU-Land jeden festnehmen, der illegal einreist.
Reuters