Ein Marktbeobachter bezeichnete das Oligopol der "Big Four" der Wirtschaftsprüfer im "Finance Magazin" kürzlich als "das dümmste Oligopol der Welt". Viele Auftraggeber und wenige anerkannte Anbieter führen zu einem starken Ungleichverhältnis im Markt. Dies hat in vielerlei Hinsicht einen negativen Effekt, wie zum Beispiel Preisdiktate und einseitige Entwicklungen von Marktstandards. Eine ähnliche Situation zeigt sich auf dem europäischen Ratingmarkt. Auch hier herrscht ein Oligopol aus drei US-Agenturen: Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch. Sie teilen rund 91 Prozent des Marktes unter sich auf. Alle weiteren Ratingagenturen müssen sich mit dem restlichen Anteil begnügen, obwohl auch hier Vielfalt immer wichtiger wird und der Wunsch nach mehr Transparenz und Wettbewerb zunimmt.
Ratingagenturen sammeln Informationen über die Finanzsituation sowie über strukturierte Finanzprodukte von Unternehmen, Banken und Staaten. Nach einer umfassenden Analyse bewerten sie deren Bonität und mögliche Ausfallrisiken auf einer Ratingskala von "AAA" bis "D". Emittenten können durch die Ratings Transparenz und Vertrauen bei Investoren und Banken gewinnen. Für Banken und in der Versicherungsbranche ist seit 2016 die Einschätzung von Ausfallrisiken durch Ratingagenturen, also die Nutzung von Ratings, sogar Teil der Regulierung.
Ihre Vormachtstellung in Europa haben sich Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch nicht nur mit ihrer langen Erfolgsgeschichte verdient. Die EZB unterstützt mit der Nutzung von Ratings im Rahmen ihres Ankaufsprogramms von Vermögenswerten indirekt das Oligopol der "Big Three": Sie erkennt nur solche Papiere als notenbankfähig an, die über Ratings der von ihr für das Eurosystem Credit Assessment Framework (ECAF) zugelassenen Agenturen verfügen. Das ist neben den drei US-Agenturen nur noch die kanadische DBRS Morningstar. Aus ihrer marktbeherrschenden Stellung und der Abhängigkeit der Investoren und Banken ziehen diese Agenturen Vorteile, zum Beispiel erhöhen sie regelmäßig die Gebühren für die Nutzung ihrer Ratings.
Durch eine stärkere Öffnung des ECAF hätte die EZB Möglichkeiten, die Machtverhältnisse umzuverteilen. Doch setzt sie die Hürden, in den Kreis der Auserwählten aufgenommen zu werden, sehr hoch. Der Legitimationsprozess ist komplex, aufwendig und einige der Vorgaben erfordern eine hohe Investitionsbereitschaft. Bewerber müssen über drei Jahre mehrere Tausend Ratings erstellen - ohne damit Geld verdienen zu können. Und dies ist nur der erste Schritt im langen ECAF-Akkreditierungsprozess. Kein Wunder also, dass sich diesen Herausforderungen kaum eine Agentur stellen mag.
Dabei hätten europäische Dienstleister möglicherweise in wichtigen Fragen eine andere Sicht auf die Dinge als die Amerikaner. Zweifelsohne würde eine neu geschaffene europäische Souveränität in diesem wichtigen Bereich den Investoren, dem Kapitalmarkt und damit der Volkswirtschaft guttun. Durch die Akkreditierung mindestens eines europäischen Players erhoffen sich viele Unternehmen und Politiker einen Ratingmarkt, der fairer und transparenter ist. So fordern der deutsche Fondsverband BVI und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft schon länger eine stärkere Regulierung der drei großen Ratingagenturen. Jedoch muss der Fokus vielmehr auf der Schaffung eines fairen Wettbewerbs liegen.
Nur so kann Druck auf die Preisgestaltung ausgeübt werden und die Auswahlmöglichkeiten für die Auftraggeber lassen sich erhöhen. Hierfür müsste die EZB jedoch das bisherige Zulassungsverfahren vereinfachen und transparenter gestalten. Als eine der ersten europäischen Ratingagenturen möchte die Creditreform Rating für das ECAF akkreditiert werden und plant, 2022 die Bewerbung einzureichen.
Michael Munsch
Munsch promovierte im Bereich des internationalen Finanzrisikomanagements. Nach Stationen bei einer Großbank und in der Finanzabteilung eines internationalen Konzerns wurde er im Jahr 2000 zum Vorstand der Creditreform Rating AG bestellt, einer Tochter der 1879 gegründeten Creditreform. Die Creditreform Rating AG ist die führende Ratingagentur für mittelständische Unternehmen in Deutschland und Österreich.
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