Es gibt ein paar Dinge, die sind dermaßen absurd, dass sie zu Zeiten, als die Menschen noch selbst dachten, einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hätten. Heute hingegen plätschern sie wie ein idyllisches Gebirgsbächlein an den Meisten vorbei und werden, wenn überhaupt, dann allenfalls als beruhigendes Gesäusel wahrgenommen. Gesäusel, das darüber hinwegtäuscht, dass nichts, aber auch rein gar nichts an ihm wirklich beruhigend ist.

Nehmen wir einmal die Begründung des Generalanwalts vor dem EuGH, die ihn in der letzten Woche dazu gebracht hat, den massenhaften Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB für rechtmäßig zu halten. Er argumentierte allen Ernstes, dass dieses Vorgehen "nicht notwendigerweise in die Insolvenz führen" müsse. Wenn das nicht mal Charme hat! Das Grillen in geschlossenen Räumen, sehr geehrter Herr Generalanwalt, muss auch nicht notwendigerweise zu einer Kohlenmonoxidvergiftung führen. Probieren Sie es also einfach mal aus, wenn Sie Ihre Argumentation lustig finden. Falls Sie dabei ähnlich pfiffig vorgehen wollen wie die EZB, die ja keine Staatsfinanzierung betreiben darf und die die Anleihen deshalb am Sekundärmarkt kaufen will, dann dürfen Sie den Grill aber nicht selbst mit einem Streichholz anzünden, sondern müssen das Feuer von einer bereits brennenden Kerze nehmen. Sekundärfeuer sozusagen.

Nicht minder originell ist der im Vorfeld der Wahlen in Griechenland immer häufiger bemühte Hinweis, dass der Beitritt eines Landes zum Euro "unumkehrbar" sei. Ach ja? Wo steht denn das? In den EU-Verträgen jedenfalls nicht. Den möglichen Austritt eines Landes aus der Gemeinschaftswährung hat man, wie so vieles andere auch, schlichtweg vergessen. Geregelt wurde lediglich, dass der bei Eintritt in den Euro vereinbarte Wechselkurs des jeweiligen Beitrittslandes unumkehrbar ist. Nach allem, was sich abzeichnet, wird das Parteienbündnis Syriza am Sonntag als Sieger aus dem Urnengang hervorgehen. Und Alexis Tsipras will ja gar nicht aus dem Euro austreten. Die Verantwortlichen sollten sich lieber Gedanken darüber machen, wie sie eine Umschuldung oder einen Schuldenschnitt bewerkstelligen will. Und Berlin sollte sich überlegen, in welcher Verpackung das den Steuern zahlenden Wählern hierzulande als Erfolg oder gar Durchbruch präsentiert werden kann. Ich sage Ihnen: Die schaffen auch das. Nicht, weil sie so klug sind, sondern … . Aber noch einmal zurück zur EZB:

Erklärtes Ziel der für morgen erwarteten Umsetzung der Ankäufe von Staatsanleihen ist es ja, die mittlerweile überfällig spät auch von der Notenbank eingeräumten Deflationsrisiken zu bekämpfen, die Banken zu erhöhter Kreditvergabe zu bewegen und sie zu ermuntern, wieder höhere Risiken einzugehen. Ja, das hat etwas. Hoch mit den Schulden, hoch mit den irrwitzigen Summen ungedeckten Notenbankgeldes, hoch mit den Kreditrisiken. Wäre die Finanzkrise, die sich offenkundig ähnlich effektiv bekämpfen lässt wie Löwenzahn, nicht durch genau diese Faktoren entstanden, ließe sich hinter den Verzweiflungstaten der EZB ja vielleicht noch irgendein intelligenter Plan vermuten. So aber sieht es aus, als ob Mario Drahghi dem Löwenzahn nun durch Düngen beizukommen versuchen will.

Abschließend noch ein Wort zu TTIP, Ceta und TISA. Die von der EU unter größtmöglicher Geheimhaltung verhandelten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada sehen ja u. a. die Installation privater Schiedsgerichte vor, vor denen Unternehmen dann klageberechtigt sind, falls ein Land aufgrund dort bestehender Gesetze die ihm angedienten Produkte nicht abnehmen will. Überspitzt formuliert, würde das bedeuten, dass das fiktive US-Unternehmen Chlorgen cloned Enterprises Deutschland auf Milliardensummen verklagen könnte, weil es geclonten, genmanipulierten und chlorbehandeltem Geflügel den Weg in die Gefriertruhen von ALDI, LIDL, Edeka, Netto, Norma etc. verspressen würde.

Der Verfassungsrechtler Siegfried Broß sieht in diesen Schiedsgerichten einen Verstoß gegen die deutsche Verfassung, gegen das EU-Recht sowie einen "Systembruch" des Völkerrechts. Dass es eines Verfassungsrechtlers bedarf, um Brüssel von der Amerikanisierung des Abendlandes abzuhalten (falls das überhaupt noch möglich ist), scheint absurd. Brüssel sollte für die EU bzw. der dort lebenden Menschen tätig werden, nicht für Chlorgen cloned Enterprises. Tut es aber nicht.

Auf Seite 2: Euro auf der Kippe



Euro auf der Kippe

Über ungelegte Eier wir den morgigen Beschluss der EZB wird schon dermaßen viel gegackert, dass ich mich da mal lieber heraushalten möchte. Dass der Euro mehr als nur ein wenig unter die Räder gekommen ist, liegt auf der Hand. Noch nicht ganz am Markt angelangt zu kommen scheint aber, dass die Schweizer Notenbank (SNB) nun eben nicht mehr als großer Euro-Käufer in Erscheinung treten wird. Hinzu kommt, dass die generelle Nachfrage nach Devisen (nicht nur nach Euro) seitens der Öl exportierenden Länder in Anbetracht des Ölpreises kräftige Bremsspuren zeigt. Und immer, wenn das in der Vergangenheit so war, entschieden sich die Akteure im Zweifelsfall für den US-Dollar.

Ob die Federal Reserve aber tatsächlich wie zuletzt ja immer wieder angekündigt mit der Zinswende Gewehr bei Fuß steht, wage ich einmal zu bezweifeln. Sehen Sie sich einfach einmal den nachfolgenden Chart an.



Quelle: www.markt-daten.de

Bis Anfang des Jahres ist die Nachfrage nach Hypothekenkrediten, die ein sehr zuverlässiger Indikator für die künftige Aktivität des Immobilienmarktes ist, auf ein neues Tief seit der Jahrhundertwende gefallen. Und das eben trotz der extrem niedrigen Zinsen. In der Woche zum 09.01. gab es hier zwar eine veritable Aufwärtszacke, das Gesamtbild verdient sich dennoch durchaus den unschönen Namen "Katastrophe".

Dass die US-Arbeitsmarktstatistik vermutlich noch stärker als die unsrige mehr verschleiert als offenbart, ist bekannt. Dass die US-Unternehmen das BIP zu einem Großteil durch Produktion auf Halde (=Lagerbestände) aufhübschen, ebenfalls. Ob die FED es da wirklich wagt, die Zinsschraube anzuziehen - ich glaube es nicht, bevor ich es nicht sehe.

Genau deswegen mag ich heute auch andere Währungspaare lieber als EUR/USD. Nämlich EUR/GBP. Klar: Auch dem derzeitigen Wachstums-Musterknaben der EU, Großbritannien, darf man bei den Konjunkturdaten nicht hinter die Fassade blicken, aber wenn man einfach einmal ein in etwa vergleichbares Niveau der Schönfärberei unterstellt, riecht es im Königreich allemal eher nach einer Zinsanhebung als in Euroraum. Nicht zu vergessen die traditionelle Vasallentreue von Downing Street 10 gegenüber Washington.



Quelle: www.secretz-online.de

EUR/GBP erscheint mir daher, nicht nur wegen des offenkundigen Zinsszenarios durchaus einen Short-Trade wert zu sein. Eine Zielzone nahe 0,72 ist aus charttechnischem Blickwinkel als nächste Anlaufmarke realistisch, auf eine tragfähige(re) Unterstützung trifft der Kurs allerdings erst bei rund 0,70. Den Stopp sollten Sie je nach Risikobereitschaft für Kurse über 0,78/0,79 vorsehen.

Auf Seite 3: Rohöl: Erste Chance



Rohöl: Erste Chance

Meine damals belächelte Prognose eines Ölpreises von 50 US$/barrel belächelt heute niemand mehr. Ob noch jemand die Mundwinkel verzogen hat, als ich zuletzt auch einen Wiederanlauf an das Tief der Jahreswende 2008/2009 für realistisch hielt, weiß ich nicht. Am Wochenende hatte ich darauf hingewiesen, dass der Öl in der Sorte Brent nun erstmals seit Beginn des Kursrutsches bei 115 US$/barrel im Wochen-Candlestickchart eine potentiell bullishe Formation in Form eines sgn. Hammers hinterlassen hatte. Das allein gilt noch nicht als Wende. Positiver zu deuten wäre das erst, wenn der Ölpreis am Freitag (deutlich) oberhalb seines Standes vom letzten Freitag läge - egal, was er bis dahin so treibt. Sollte Öl indes erneut nachgeben, werden die 35 US$/barrel immer wahrscheinlicher - wobei im Zuge einer durchaus realistischen Abkühlung der Weltwirtschaft sogar noch erheblich tiefere Fasspreise vorstellbar würden. Nach unten winken also mindestens 15 Dollar Kursbewegung - nach oben selbstredend auch. Und mit ein wenig Glück werden am Wochenende die Karten aufgedeckt.



Quelle: www.private-profits.de/newsletter

Der Vorteil dieses kostenlosen, in der Regel am Samstagabend versendeten Newsletters: Sie erfahren die wichtigsten neuen Chartsituationen in jedem Falle vor dem Start der neuen Börsenwoche. Und vor allen Dingen vieles, was sie in der heutigen Presse, die ja keine Lügenpresse sein will, ganz gewiss nicht erfahren.

Viel Erfolg und beste Grüße

Axel Retz

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt die Portale www.private-profits.de und www.moneyversum.de .