BÖRSE ONLINE: Herr Prof. Schmidt, die Inflation in der Eurozone ist im Februar auf 2,0 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Stand seit Januar 2013. Wie überrascht sind Sie?
Christoph M. Schmidt: Nicht sonderlich überrascht, denn es war absehbar, dass die Energiepreise, deren Verfall für die niedrige Inflation vorher mitverantwortlich war, demnächst wieder ansteigen würden.
EZB-Chef Mario Draghi hat die Niedrigzins-Politik der europäischen Notenbank stets mit der Angst vor einer möglichen Deflation begründet. Davon sind wir inzwischen weit entfernt. Muss die EZB jetzt nicht eine rasche Kursänderung einleiten und die Zinsen wieder anheben?
Die jüngsten Entwicklungen veranschaulichen, wie schnell die Inflation zunehmen kann. Die Geldpolitik der EZB ist schon länger zu expansiv ausgerichtet, dies haben wir in den vergangenen Jahresgutachten des Sachverständigenrates bereits mehrfach gezeigt. Die Lockerungen sollten daher früher als geplant beendet werden.
Für wie wahrscheinlich halten Sie eine solche Kehrtwende?
Es wird sicherlich immer schwerer zu begründen, warum man dieser Anregung nicht folgen sollte, aber das ist alles keine Frage der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Was wären die Folgen, falls die EZB trotz steigender Inflationsraten bei ihrer starren Niedrigzinspolitik bleibt?
Das Risiko, dass sie in einer Phase finanzieller und / oder fiskalischer Dominanz gefangen bleibt, wird immer größer.
Und die Sparer blieben weiter die Dummen?
Vorsicht: Unsere Kritik an der expansiven Geldpolitik der EZB war immer eine Frage der Intensität und der Dauer. Dem Sparer wäre nie geholfen gewesen, hätte die EZB tatenlos dabei zugesehen, wie der Euro zerbricht. Die tatsächliche Verantwortung für die Überwindung der Schieflage liegt nach wie vor bei den Regierungen der Euro-Mitgliedstaaten, also in nationalen Händen.
Prof. Dr. Christoph M. Schmidt ist Präsident des RWI, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Professor an der Ruhr-Universität Bochum.