€uro am Sonntag: Herr Ruesch, Ihr Verlag listet zuverlässig die Gesamtzahl der in Deutschland zwangsversteigerten Immobilien auf. Beobachten Sie seit Beginn der Corona-Krise schon eine Zunahme?

Walter RUesch: Nein, bis jetzt gibt es wegen Niedrigzins und staatlicher Rettungsmaßnahmen noch keine Zunahme bei Zwangsversteigerungen. Im ersten Halbjahr wurden 7300 Objekte im Wert von 1,6 Milliarden Euro zwangsversteigert. Das ist sogar leicht unter dem Vorjahreswert. Das hat aber noch nichts zu sagen.

Warum?

Weil Zwangsversteigerungen meist einen relativ langen Vorlauf haben. Es dauert mindestens ein Jahr, bis eine Immobilie unter den Hammer kommt, in manchen Fällen sogar bis zu fünf Jahre. In dieser Zeit tauchen diese Immobilien bei uns in der Statistik natürlich noch nicht auf.

Rechnen Sie in Zukunft mit einer höheren Zahl an Zwangsversteigerungen?

Definitiv. Wir gehen davon aus, dass Zwangsversteigerungen infolge von Insolvenzen und geplatzten Finanzierungen ab Herbst 2021 stark zunehmen werden. Die Bundesbank warnt schon seit 2017 vor systemischen Risiken durch zu hohe Beleihungen. Zwei von drei zwangsversteigerten Immobilien sind übrigens Einfamilienhäuser oder Eigentumswohnungen.

Wie hoch ist die Nachfrage nach zwangsversteigerten Immobilien?

Zwangsversteigerungsobjekte werden hierzulande vermehrt nachgefragt, weil auf dem normalen Markt kaum noch bezahlbare Immobilien zu finden sind. Die Durchschnittspreise haben sich im Vergleich zum Vorjahr von 185 000 auf 214 000 Euro erhöht. Trotzdem liegen die Verkaufspreise aber in der Regel unter den regulären Marktpreisen. Damit bieten sich sehr gute Renditechancen, zumal Makler- und Notarkosten entfallen.