Das Jahr 2019 war maßgeblich durch ein Thema bestimmt: Nachhaltigkeit. Jeden Freitag demonstrierte die "Fridays for Future"-Bewegung für mehr Klimaschutz, und die EU-Kommission stellte den European Green Deal vor. Mit ihm soll Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. Dann kam das Jahr 2020 und mit ihm Corona. Proteste auf der Straße sind seitdem selten geworden und die Ankündigungen der EU konzentrieren sich auf Maßnahmen gegen das Virus.
War es das also mit der Nachhaltigkeit? Die Antwort ist eindeutig Nein. Die Pandemie hat das Bewusstsein für das Thema sogar noch weiter geschärft. Und das ist wichtig, denn das Ziel einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft ist ambitioniert - und es zu erreichen wird ein gesamtgesellschaftlicher Kraftakt.
Auch die Finanzindustrie spielt dabei eine zentrale Rolle. Bei den Banken gibt es ein klares Bekenntnis, die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft mit Finanzmitteln zu unterstützen und transparent darüber zu berichten. Das gilt insbesondere für die öffentlichen Banken, denn Nachhaltigkeit ist Teil unseres gesellschaftlichen Auftrags.
Hier kommt die Taxonomie ins Spiel. Sie ist ein einheitliches Klassifikationssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten. Ab 2022 werden sich Unternehmen sowie Finanzinstitute in immer mehr Bereichen an den Vorgaben der Taxonomie ausrichten müssen, wenn sie von nachhaltigen Geschäftsaktivitäten und Finanzprodukten sprechen.
Aus der Taxonomie ergeben sich große Chancen. Eine kürzlich durchgeführte Studie von VÖB-Service in der Bankenbranche zeigt, dass zwei von drei Banken überzeugt sind, dass sich die neue Taxonomie-Verordnung positiv auf ihr Geschäftsmodell auswirken wird. Und auch wir sehen die Vorteile der Taxonomie: Zum einen wird durch sie schrittweise mehr Transparenz und Vergleichbarkeit entstehen. Zum anderen kann eine einheitliche Klassifizierung helfen, dass zukünftig die Kosten für die Bewertung grüner Projekte sinken. Des Weiteren kann der Lebenszyklusansatz der Taxonomie dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit von Technologien und Prozessen mit langfristigem Lebenszyklus umfassender zu bewerten. Zugleich muss die Taxonomie auch technologieoffen sein. Eine Festlegung auf ausschließlich bereits heute bekannte oder etablierte Technologien bremst den Fortschritt.
Doch die Taxonomie ist auch mit Herausforderungen verbunden. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Frage der Verfügbarkeit von ESG-Daten - also den Angaben zu Ökologie, Sozialem und guter Unternehmensführung, die für die Bewertung im Sinne der Taxonomie notwendig sind - insbesondere von kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Finanzierung sozialer Aspekte ist auch etwas Nachhaltiges
Bislang beschränkt sich die Taxonomie im Kern auf Ausführungen zu Umweltaspekten. So werden zum Beispiel Klimaschutz, die nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen oder der Schutz und die Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen als solche benannt. Auch die Einhaltung sozialer Mindeststandards wird gefordert. Eine systematische Klassifikation sozialer Aspekte ist hingegen bisher noch nicht enthalten. Diese soll aber in weiteren Schritten durch den europäischen Gesetzgeber folgen.
Als öffentliche Banken sprechen wir uns dafür aus, bei der Weiterentwicklung der Taxonomie die soziale Dimension von Nachhaltigkeit angemessen zu berücksichtigen. Dabei geht es zum Beispiel um Themen wie die Schaffung von sozialem Wohnraum oder die Modernisierung von Schulen und Krankenhäusern. Die öffentlichen Banken stehen bereit, um Unternehmen und die öffentliche Hand bei der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft zu unterstützen. Wichtig ist dabei ein pragmatischer Ansatz, der die Wirtschaft nicht unverhältnismäßig belastet - sondern erlaubt, die Chancen des Wandels zu nutzen.
Eckhard Forst:
Präsident des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB
Nach der Ausbildung zum Bankkaufmann und dem Studium der Rechtswissenschaften durchlief Forst ab 1990 mehrere Stationen in verschiedenen Banken. Seit 2016 ist er Vorstandsvorsitzender der NRW.Bank. Der VÖB vertritt die Interessen von 59 Mitgliedern, darunter die Landesbanken sowie die Förderbanken des Bundes und der Länder.