Die Aktionen der Gewerkschaft hätten bei der Deutschen Bahn bisher zu keinem Sinneswandel geführt, sagte GDL-Chef Claus Weselsky. Sollte kein neues Angebot kommen, werde der Arbeitskampf auch länger und über Wochenenden dauern. Man habe jetzt erneut Rücksicht auf das Reise-Wochenende genommen. "Das werden wir in Zukunft nicht mehr gewährleisten können." Die Bahn sprach von einer völlig überflüssigen Belastung der Reisenden, drei Viertel des Angebots mit Fernzügen werde ab Montag ausfallen. Die Wirtschaft zeigte sich besorgt wegen der Versorgung der Betriebe.

Die GDL hatte bereits in der vergangenen Woche zwischen Dienstagabend und Freitagfrüh bundesweit gestreikt. Etwa Dreiviertel der Fernzüge und 60 Prozent des Nahverkehrs fielen aus. Auch rund 300 Güterzüge blieben stehen.

Die Güterbahn wird nun noch länger bestreikt als beim Arbeitskampf zuvor, was Sorgen in der Wirtschaft und beim Verkehrsminister auslöste: "Durch diesen Streik verschärft sich die angespannte Rohstoffsituation für die deutsche Wirtschaft noch zusätzlich", erklärte Anderas Scheuer (CSU). Die positive Entwicklung nach der langen Covid-Durststrecke dürfe nicht wieder zunichtegemacht werden. "Die Lage ist wirklich besorgniserregend." Scheuers Ministerium brachte eine Schlichtung ins Spiel. Allerdings ist eine erste Schlichtung bereits gescheitert, eine zweite lehnt die GDL bislang ab.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sprach von einer Belastung für Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft. "Die Ankündigung weiterer Streiks sendet ein völlig falsches Signal zur falschen Zeit", sagte er. "Diese Streiks werden nicht nur für die Wirtschaft, sondern für die ganze Gesellschaft zunehmend zur kaum kalkulierbaren Belastung." Die Lieferketten würden in Gefahr gebracht. Besonders hart treffe es Branchen, die weitgehend auf die Bahn angewiesen seien. "Dazu gehören beispielsweise neben Chemie-Gefahrguttransporten auch die Rohstoffanlieferung in der Stahlindustrie oder die Transporte der Automobilwirtschaft in die Exporthäfen."

Die Güterbahn-Tochter DB Cargo, einst praktisch Monopolist auf der Schiene in Deutschland, hat allerdings über Jahre Marktanteile verloren und fährt nun nur noch knapp die Hälfte der Transporte. Die Wettbewerber werden nicht von der GDL bestreikt. Die Deutsche Bahn hat nach eigenen Angaben den Rückstau vom letzten Streik abgebaut. "Gemeinsam mit externen Partnerbahnen werden versorgungsrelevante Züge so rasch aufs Gleis gesetzt und Kunden bedient", erklärte die Deutsche Bahn.

Im Personen-Nahverkehr mit den Pendlerzügen und S-Bahnen fahren die Konkurrenten einen Anteil von etwa einem Drittel. Die Deutsche Bahn geht nun davon aus, dass 40 Prozent des Angebots im Ausstand aufrecht erhalten werden können. Bereits ab Freitag könnten Tickets des Fernverkehrs zudem kostenlos umgebucht und bis 4. September genutzt werden.

BAHN: GDL TREIBT KONFLIKT AUF DIE SPITZE


Bahn-Personalvorstand Martin Seiler kritisierte die GDL scharf: "Dieser zweite Ferienstreik zeigt: ein Tarifpartner verweigert sich permanent." Statt den Mut zu haben, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, treibe die GDL-Führung ihren gewerkschaftspolitischen Kampf um Ausweitung und Einfluss auf dem Rücken der Bahnkunden auf die Spitze. GDL-Chef Weselsky hatte zuvor der Bahn erneut Täuschung vorgeworfen und Seiler auch direkt angegriffen: "Die Ausführungen von Herrn Seiler sind nichts anderes, als wenn in China ein Sack Reis umfällt." Man werde nicht über etwas verhandeln, was nicht verhandelbar sei. "Der Streik ist rechtmäßig, er ist verhältnismäßig und er ist zulässig."

Die Bahn hatte der GDL zuletzt Lohnerhöhungen in zwei Schritten angeboten: 1,5 Prozent zum 1. Januar 2022 und 1,7 Prozent zum 1. März 2023, bei einer Laufzeit bis Ende Juni 2024. Der GDL reicht dies nicht. Sie fordert unter anderem frühere Lohnerhöhungen, eine kürzere Laufzeit und einen Corona-Bonus von 600 Euro.

Mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte der auch durch die Corona-Krise angeschlagene Konzern bereits im vergangenen Jahr einen Sanierungstarifvertrag geschlossen, den die GDL als völlig unzureichend ablehnt. Zusätzlich kompliziert wird die Tarifrunde dadurch, dass EVG und die GDL beide den Anspruch erheben, für fast alle der 185.000 Beschäftigten in Deutschland beim Schienenpersonal zu verhandeln. Die Bahn sieht sich aber gezwungen, das Tarifeinheitsgesetz anzuwenden. Danach gilt ein Tarifvertrag nur dort, wo die jeweilige Gewerkschaft die Mehrheit hat. Laut Bahn hat die GDL in 16 der rund 300 Einzelbetriebe des Konzerns die Mehrheit. Die GDL bestreitet das und klagt vor Gericht.

rtr