Im Herbst 2019 fiel der Startschuss für Spectrum Markets, eine paneuropäische Handelsplattform für strukturierte Produkte, mit Sitz in Frankfurt am Main. Seither weitet die Tochter des britischen Finanzkonzerns IG ihr Leistungsspektrum kontinuierlich aus und punktet bei Anlegern und Emittenten mit einem stabilen System im 24/5-Stunden-Handel, mit hoher Transparenz und Liquidität sowie neuen Ideen und Lösungen. CEO Nicky Maan über die besonderen Herausforderungen in zunehmend volatilen Märkten.
Welchen neuen Herausforderungen müssen sich Betreiber von Handelsplätzen im aktuellen Marktumfeld stellen?
Nicky Maan: Die Märkte entwickeln sich in den letzten Jahren so dynamisch wie nie - und nicht erst mit der Corona-Krise müssen Anleger immer schneller und tagesaktuell auf weltweite Entwicklungen reagieren. Erfolgreich werden also künftig jene Handelsplätze sein, die in einem wettbewerbsintensiven Umfeld einen möglichst einfachen Zugang zum grenzüberschreitenden Handel bieten sowie ein Höchstmaß an Flexibilität für alle Seiten gewährleisten. Dies erwarten im Übrigen nicht nur institutionelle Kunden von uns, sondern insbesondere auch eine wachsende Klientel im Retailgeschäft.
Entscheidend wird also sein, welche Antworten wir als Betreiber auf steigende Volumina, immer volatileren Märkten, den Handel mit immer komplexeren Produkten und nicht zuletzt auch auf die weitere EU-Harmonisierung finden. Dabei müssen wir einerseits den strengeren regulatorischen Vorgaben gerecht werden, andererseits aber auch den immensen technischen Anforderungen an die Systeme.
Technische Anforderungen, die gerade etablierte Börsen in der jüngeren Vergangenheit zeitweise an ihre Grenzen gebracht haben...
Das stimmt. Ausfallzeiten aufgrund überlasteter Alt-Systeme - oftmals von Drittanbietern entwickelt - schmerzen ganz besonders angesichts der enormen Dynamik der Märkte im Handel beispielsweise mit ETFs und Derivaten. Denn wenn der Handelsplatz lahmgelegt ist, wachsen Verluste mit jeder Stunde.
Hier genießen wir den großen Vorteil, dass wir mit hauseigenen, innovativen Technologien arbeiten, die wir selbst von Grund auf neu gebaut haben. Das Ergebnis ist eine regulierte offene Plattform, die neben einer großen Produktauswahl die geforderte Kontrolle und eben auch die notwendige Stabilität und Widerstandsfähigkeit bietet. Das schafft Vertrauen bei allen Handelspartnern.
Was muss eine zukunftsgerichtete Technologie darüber hinaus leisten können?
Erfolgversprechende Systeme sollten auf Skalierbarkeit und Automation setzen. So sind auch unsere Systeme konsequent auf Wachstum und Optimierung ausgelegt mit dem Ziel, alle Prozesse nahtlos, möglichst parallel und automatisiert, das heißt wenig personenabhängig abzuwickeln. Im Kern haben wir uns dabei zugunsten schlanker, effizienter Abläufe auf das Wesentliche konzentriert, was für die Betreibung einer Börse notwendig ist.
Ist dies auch der Schlüssel für das Angebot eines 24-Stunden-Handels?
Definitiv. Die hohe Nachfrage insbesondere auch bei den Privatanlegern verstärkt den Trend zum Trading rund um die Uhr. Hinzu kommt die zunehmende Bedeutung von Marktnachrichten. Wenn irgendwo auf der Welt ein Containerschiff querliegt oder eine politische Krise ausgelöst wird, dann wollen die Trader sofort darauf reagieren und nicht erst bis zur Eröffnung der Börse am nächsten Tag damit warten müssen. Auf unserer Plattform werden an Börsentagen rund um die Uhr mit europaweit gültiger ISIN Turbo-Warrants im Bereich Indizes, Währungen und Rohstoffe gehandelt. Lediglich Samstag und Sonntag gelten an allen Börsen als Ruhetage. Dabei garantieren wir eine Mindestliquidität sowie transparente Orderbücher und sind in der Lage, hochfrequent zu handeln, also mehrere Quotes pro Sekunde zu verarbeiten. Auch hier profitieren wir von unserem Vorsprung durch eine fortschrittliche technische Infrastruktur. Allein im ersten Quartal 2021 haben wir mit 207 Millionen gehandelten verbrieften Derivaten einen Zuwachs von 245 Prozent gegenüber dem Vorjahr erzielt.
Welche Ansprüche stellen Emittenten, Broker und Anleger darüber hinaus an moderne Handelsplätze?
Gerade das Interesse privater Anleger wächst angesichts des Niedrigzinsumfelds und fehlender Chancen auf Rendite in den klassischen Anlageformen zusehends. Privatanleger hatten in der Vergangenheit nur unzureichende Möglichkeiten, am Börsenhandel mit derivativen Produkten aktiv teilzuhaben. Bei uns können sie über ihre Broker jederzeit auf Marktereignisse reagieren und entsprechend handeln. Kleinanleger können so unkompliziert und mit geringem Einsatz an Kurssteigerungen partizipieren, während größere Investoren wichtige Positionen durch Derivate absichern können.
Welche Voraussetzungen müssen denn im Retail-Segment geschaffen werden?
Im Retailgeschäft, das derzeit einen rasanten Wandel erlebt, sind ein einfacher Marktzugang, Transparenz nicht zuletzt auch im Sinne des Verbraucherschutzes und niedrige Kosten die wesentlichen Schlüssel zum Erfolg. Unsere Kostenstruktur überzeugt - so erheben wir weder Transaktionsgebühren noch Kosten für Clearing oder die Bereitstellung von Marktdaten. Für diese Kundengruppe, die bisher auf außerbörsliche Ausführungen angewiesen war, sind wir ein attraktiver Partner - und wir stellen fest, dass die privaten Trader innerhalb und zu einem beträchtlichen Teil auch außerhalb normaler Geschäftszeiten sehr aktiv sind.
Und wie steht es auf der Seite der Emittenten?
Ich bin davon überzeugt, dass sich auch die Ansprüche der Emittenten nur durch Technologie gepaart mit Innovation befriedigen lassen. Emittenten erwarten ein Höchstmaß an Flexibilität in Handel und Abwicklung - weg von den bisherigen Silos, in denen sich die Länderbörsen noch immer bewegen hin zu mehr Einheitlichkeit über Grenzen hinweg. Denn faktisch findet sich das Thema Harmonisierung in vielen Bereichen noch immer lediglich auf dem Papier.
In punkto Zugang bieten wir als Antwort auf stark schwankende Märkte neben dem 24/5-Handel mittlerweile sogenannte Intraday-Emissionen für noch schnellere Anpassungen an aktuelle Ereignisse und Bewegungen der Märkte. Das bedeutet, dass Emittenten innerhalb weniger Minuten neue Zertifikate emittieren und Risikoprofile entsprechend anpassen können.
In welche Richtung werden sich die Handelsplätze in naher Zukunft entwickeln?
Unter den Betreibern entsteht Schritt für Schritt bereits jetzt mehr fairer Wettbewerb, der sich weiter intensivieren und noch schnelllebiger werden wird. Für das Vertrauen in die Branche spielt die Regulatorik im Zuge der Marktöffnung eine zentrale Rolle. Dies gilt zum einen in Bezug auf neue Assetklassen, wie Kryptowährungen, zum anderen auch auf den Einsatz neuer Technologien, wie der Verbindung von Künstlicher Intelligenz und Blockchain.
Der Schlüssel für die Bewältigung einer ganz neuen Dimension von Produktivität, Datenverarbeitung und schneller Informationsübermittlung heißt Innovationsvorsprung: Um dauerhaft am Markt bestehen zu können, müssen sich Plattformen den Herausforderungen dynamischer Märkte, regulatorischer Umwälzungen und innovativer Technologien proaktiv stellen.