von Herausgeber Frank-B. Werner

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat durchaus recht, wenn er im Zusammenhang mit dem von der neuen griechischen Regierung angeschlagenen Ton eine zunehmende Europa-Verdrossenheit befürchtet. Um Ministerpräsident Tsipras milde zu stimmen, hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei dessen Antrittsbesuch ein gewisses Entgegenkommen signalisiert. Dafür fehlt Juncker das Mandat. Europas Steuerzahler haben es satt, dass die Brüsseler Bürokraten ohne demokratische Legitimation ihr Geld ausgeben.

So allmählich dämmert es den Akteuren, dass die Entscheidung der Schweizer Nationalbank (SNB), über Nacht den Mindestkurs zum Euro aufzuheben, weit mehr bedeutet als heftige Verluste. Macht das Beispiel der Schweizer Schule, dann ist es vorbei mit der Berechenbarkeit. Bislang galt als ungeschriebenes Gesetz, dass Notenbanken und Regierungen Maßnahmen mit größeren Auswirkungen auf die Finanzmärkte am Wochenende bekannt geben - wenn alle von Montag bis Freitag mit hohen Krediten operierenden Spekulanten ihre Bücher geschlossen haben. Die SNB machte ihre Mitteilung am 15. Januar, einem Donnerstagmorgen, um halb elf. Niemand wird es künftig wagen, mit zwei Euro Eigen- und 98 Euro Fremdkapital einen Einsatz von 100 Euro zu riskieren. Das ist die gute Nachricht, weil die Finanzmärkte sicherer werden, wenn die Transaktionen mit mehr Eigenkapital unterlegt werden.

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird demnächst ihr Anleihekaufprogramm ins Werk setzen. Jeden Monat sollen bis September 2016 Staats- und Unternehmensanleihen für bis zu 60 Milliarden Euro aufgekauft werden. Bilanziell ist das nicht zu unterschätzen. Bei Zinsen nahe null kauft die EZB jetzt zu Höchstkursen. Die Notenbank kann folglich überhaupt kein Interesse daran haben, die Zinsen irgendwann wieder einmal zu erhöhen, weil sie auf ihrem Anleihebestand riesige Verluste realisieren würde. So bleibt sie schließlich Gefangene ihrer verfehlten Politik.