Notizzettel zur Ausgabe 12/2020: Ohne Vorbild
· Börse Online Redaktion
Es sind ungewöhnliche Tage, die wir derzeit erleben. Die radikalen Maßnahmen zum Abbremsen der Verbreitung des Coronavirus hinterlassen tiefe Spuren. Nicht zu Unrecht sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier: "Diese Krise hat kein Vorbild. Deshalb gibt es auch kein Drehbuch, wie man zu reagieren hat." Immerhin hat sich die Große Koalition ein vorläufiges Skript zurechtgelegt und will gegenhalten: "In vielen Fällen ist es schon eine wichtige Hilfe, wenn man die Liquidität überbrücken kann."
Das Wort des Ministers in Gottes Ohr. Was man derzeit als angedachte Hilfsmaßnahmen so hört - Steuerstundungen, Kredite, Kreditbürgschaften -, wird häufig nicht reichen. Denn die Zwangsschließung von Gaststätten und Läden, die nicht der Grundversorgung dienen, sowie das Verbot von Veranstaltungen führt ja nicht zu einer Minderung von Gewinnen, die der Fiskus in der Zukunft besteuern würde, sondern bei ganz vielen kleinen und großen Unternehmen zu einem Komplettausfall von Umsätzen. Anderseits laufen die Verpflichtungen weiter. Da nutzt auch keine Kurzarbeit.
Diese Situation gehört nicht zum normalen unternehmerischen Risiko. Anders als bei der LehmanFinanzkrise, in der es darum ging, den Bankenund Versicherungssektor mit Krediten zu stabilisieren, geht es diesmal um die Lahmlegung der Realwirtschaft. Niemand wird sich in dieser Situation, von der wir nicht wissen, wie lange sie andauert, auf die Stundung von Steuerverpflichtungen oder die Aufnahme von Krediten einlassen, die doch irgendwann einmal zurückgeführt werden müssen. Es wird sich auch niemand auf die Ankündigung der Justizministerin verlassen, die Pflicht zum Stellen eines Insolvenzantrags zu lockern. Die Gefahr, dass sich die geschäftliche Insolvenz irgendwann doch nicht vermeiden lassen wird, wirft dann ganz schnell das Risiko einer Privatinsolvenz auf. Nein, jetzt muss der Staat den betroffenen Firmen schnell und unbürokratisch die entfallenen Umsätze (bereinigt um die ersparten Kosten und den Gewinn) ersetzen. Whatever it takes - ansonsten fahren wir unsere Wirtschaft an die Wand.