Das Motto der Politik derzeit lautet: Fahren auf Sicht. Das sollte einen indes nicht vom rationalen Handeln abhalten. In Heinsberg wurde jetzt ein Anfang gemacht. Dort, wo die Ausbreitung des Virus relativ früh begann, führen die Behörden mithilfe der Universität Bonn eine Studie durch, um den Verlauf von Ansteckung und Krankheit nachzuzeichnen. Gleichwohl ist völlig unverständlich, warum in Deutschland bislang keine systematischen Sars-CoV-2-Tests praktiziert werden. Die Meldedaten und die Expertise der statistischen Ämter wären bei Weitem ausreichend, um ähnlich wie beim Mikrozensus täglich einige Hundert Tests an einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe durchzuführen. Damit würden sich sehr viel belastbarere Aussagen über das Infektions- und Todesfallrisiko treffen lassen als mit der bisherigen, rein reaktiven Vorgehensweise. Nur so kann man auch sehen, ob und wie die Eingriffe in unser gesellschaftliches und das Wirtschaftsleben wirken. Wer diese Überlegung teilt, sollte die folgende Petition der Statistikerin Katharina Schüller unterstützen: www.change.org/p/ministerpräsident-dr-markus-söder-führen-sie-systematische-repräsentative-covid-19-tests-durch-um-die-pandemie-zu-stoppen.
Mit den Engpässen, die die Corona-Krise offenbart hat, melden sich nun wieder einmal die Kritiker von Kapitalismus und Globalisierung zu Wort. Die international vernetzte Marktwirtschaft sorge dafür, dass "unser Verständnis von Gemeinwohl" schwinde, mäkelte beispielsweise Juso-Chef Kevin Kühnert im Interview mit dem "Spiegel". Doch am Geldmangel in Kreiskrankenhäusern ist der Kapitalismus genauso wenig schuld wie an fehlenden Notvorräten von Desinfektionsmitteln und Atemschutzgeräten. Schließlich ist die Daseinsvorsorge eine Kernaufgabe staatlichen Handelns. Auch wenn Lieferanten aus China nicht zuverlässig liefern, muss man nicht gleich die Globalisierung abschaffen, sondern vielleicht mit mehreren Lieferanten aus mehreren Ländern zusammenarbeiten. Es gibt keinen Grund, die Marktwirtschaft aufzugeben.