Angesichts des Kriegs in der Ukraine legen die Ölpreise weiter deutlich zu. Am Mittwoch markierten die beiden wichtigsten Erdölsorten Brent und West Texas Intermediate (WTI) erneut mehrjährige Höchststände. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete bis zu 111,72 US-Dollar und damit so viel wie zuletzt im Jahr 2014. Ein Fass der US-Sorte WTI wurde mit bis zu 110,14 Dollar gehandelt. Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2013.

Gründe dafür sind der Krieg in der Ukraine sowie die möglichen Folgen für das Ölangebot. So sei es laut Experten einerseits denkbar, dass große Volkswirtschaften die Einfuhr russischen Erdöls sanktionieren, andererseits werden auch Gegensanktionen Russlands bis hin zu einem Ausfuhrstopp für möglich gehalten. Russland ist einer der größten Ölförderer und -exporteure der Welt. Immer mehr große Energiehändler versuchen derzeit, russisches Öl zu meiden und suchen Alternativen.

Aber auch ohne Sanktionen der US-Regierung meiden etwa amerikanische Energiehändler russische Öl-Importe. "Die Leute fassen russische Barrel nicht an", sagte ein Händler am Hafen von New York. Was noch verschifft werde, sei vor dem russischen Vorstoß in die Ukraine gekauft worden. "Danach kommt nicht mehr viel. Niemand möchte dabei gesehen werden, wie er russische Produkte kauft und einen Krieg gegen das ukrainische Volk finanziert", fügte er hinzu. Nach ersten Schätzungen der Analystenfirma ESAI Energy sind etwa zehn Prozent der russischen Ölexporte betroffen. Allerdings mache es Russlands Stellung am weltweiten Energiemarkt unwahrscheinlich, dass der Export ganz zum Erliegen kommen werde. "Die großen Akteure können aus dem Markt aussteigen, aber es gibt da draußen nicht genug Öl, dass alle aussteigen können", so ESA-Präsidentin Sarah Emerson.

Am Dienstag hatten die Mitgliedstaaten der Internationalen Energieagentur (IEA) die Freigabe von 60 Millionen Barrel Rohöl aus ihren strategischen Reserven beschlossen. Am Ölmarkt hat die Freigabe der vergleichsweise kleinen Menge nicht zu einer Beruhigung der Lage geführt. Der Ölverbund Opec+ entscheidet am Mittwoch über seine kurzfristige Förderstrategie. Insidern zufolge sollen die Rohöl-Fördermengen trotz der Rally nicht deutlich ausgeweitet werden.

Die steigenden Ölpreise treibt auch die ohnehin hohen Energiepreise weiter an. Dies könnte noch größere Kreise ziehen und die ohnehin bereits durch Lieferkettenprobleme weltweit angespannte Lage der Unternehmen weiter verschärfen. Der deutsche Leitindex Dax ging etwa am Mittwoch 1,4 Prozent auf 13.711 Punkte in die Knie, nachdem er am Dienstag rund vier Prozent verloren hatte. "Der Deutsche Aktienindex bricht jetzt unter der Last der weiter steigenden Energiepreise zusammen", sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst vom Brokerhaus CMC Markets. Die Tatsache, dass der Ölpreis auf die Freigabe strategischer Reserven der IEA nicht mit Abschlägen reagiert habe, sei erschreckend.

iw/rtr/dpa-AFX