Bundespräsident Alexander Van der Bellen muss die Minister des Amtes entheben und jemand anderem die Regierungsverantwortung übertragen.
Das Vorhaben, das Land bis zur Neuwahl im September von einer Minderheitsregierung aus ÖVP-Ministern und unabhängigen Experten führen zu lassen, ist damit geplatzt. "Jetzt auch noch eine ganze Regierung zu stürzen, wenige Monate vor einer Wahl, kann, glaube ich, niemand in diesem Land nachvollziehen", sagte Kurz vor der Abstimmung.
Der von der größten Oppositionspartei, den Sozialdemokraten (SPÖ), eingebrachte Misstrauensantrag gegen das gesamte Kabinett wurde vom bisherigen ÖVP-Bündnispartner FPÖ und der "Jetzt-Liste-Pilz" unterstützt und erreichte damit die Mehrheit. Die ÖVP und die kleine Oppositionspartei NEOS votierten erwartungsgemäß dagegen.
Es ist das erste Mal in der Geschichte Österreichs, dass ein Misstrauensvotum erfolgreich ist und ein Kanzler auf diese Art und Weise gestürzt wird. Für den 32-jährigen Kurz, der als jüngster Regierungschef in Europa als politisches Ausnahmetalent gilt, bedeutet das einen Knick auf seinem steilen Karriereweg. Allerdings bekam die ÖVP, die im Europaparlament der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, erst am Sonntag Rückenwind. Sie legte bei der EU-Wahl deutlich zu auf knapp 35 Prozent der Stimmen und ging damit als Sieger hervor. Die SPÖ landete mit 23,4 Prozent auf Platz zwei. Die FPÖ, die vor gut einer Woche von dem Skandalvideo über den mittlerweile zurückgetretenen Vizekanzler und bisherigen Parteichef Heinz-Christian Strache erschüttert wurde, verlor weniger stark als erwartet und kam auf 17,2 Prozent der Stimmen.
SCHULTERSCHLUSS VON SPÖ UND FPÖ ERMÖGLICHT STURZ VON KURZ
"Die letzten Tage haben ein hässliches Bild unseres Landes gezeichnet", sagte der stellvertretende SPÖ-Fraktionsvorsitzende Jörg Leichtfried in der Debatte im Parlament. Die rechtspopulistische FPÖ nutzte die Bühne für eine Abrechnung mit ihrem bisherigen Bündnispartner. Zwar hätten die Parteien gut zusammengearbeitet, doch Kurz habe das Regierungsprojekt durch Machtinteressen zerstört, sagte der bisherige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), dessen Abberufung Kurz im Zuge der Video-Affäre veranlasst hatte. Der Kanzler habe in den vergangenen Tagen "ein anderes Gesicht gezeigt, als das, was wir immer kennen, dieses freundliche, ewig lächelnde".
Als Erste hatte die kleine Oppositionspartei "Jetzt-Liste-Pilz" einen Misstrauensantrag gegen den Kanzler angekündigt. Die SPÖ entschied sich nach der EU-Wahl für einen solchen Antrag nicht nur gegen Kurz, sondern gegen das gesamte Kabinett. Kurz habe die vergangenen zehn Tage in der von ihm mitverschuldeten Regierungskrise nicht genutzt, um wieder Stabilität im Land zu schaffen, begründete SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner den Schritt ihrer Partei. Spannend machte es die FPÖ. Bis zuletzt ließ sie offen, ob sie das Misstrauen aussprechen würde.
Auslöser der Regierungskrise ist ein kurz vor der Wahl veröffentlichtes Video über Ex-FPÖ-Chef Strache. Das im Sommer 2017 heimlich in Ibiza aufgenommene Video zeigt, wie Strache und der bisherige FPÖ-Fraktionsvorsitzende Johann Gudenus einer vermeintlichen Verwandten eines russischen Oligarchen offenbar Regierungsaufträge als Gegenleistung für Wahlkampfhilfen in Aussicht stellte. Das Video führte zum Bruch der rechts-konservativen Regierung in Österreich.
rtr